Zum Frühstück gibt es von Susanna als Überraschung gekaufte Mooncakes. Danke Susanna. Diese Cakes werden von den Chinesen um diese Jahreszeit (massgebend ist der Mondkalender) aus Anlass des Mid Autumne Festivals gegessen. Es ist das Fest des Vollmondes, welches traditionsgemäss im Kreise der Familie gefeiert wird. Wir dienen Susanna als Ersatz für ihre Familie; arme Susanna!
Ein volles Programm steht bevor: Fahrt nach Xiamen. Susanna hat bereits gestern Zimmer im Hotel Xiamen Harbouer Bay gebucht (Position Nord 24° 27' 55'' und Ost 118° 4' 5.3''). Danach Besichtigungen: Nanputuo Tempel, Universitätsgelände, Festung, Insel 'Gulang Yu'.
Gegen 12:00 Uhr treffen wir in Xiamen, gelegen auf der gleichnamigen Insel, ein. Xiamen ist mit dem Festland durch Brücken von etwa fünf Kilometern Länge verbunden. Die Hängebrücke ist die Längste ihrer Art von ganz Asien und die fünft längste der Welt. Xiamen selbst gilt mit seinen etwa 650'000 Einwohnern eher als kleine Stadt. Eine Ringstrasse führt in eleganten Bögen übers Meer hinweg.
Für eine bestimmte Buslinie gibt es ein eigenes Trasse, welches hoch über den Häusern Xiamens verläuft.
(Foto: Vordergrund: Busstation, Hintergrund: Insel Gulang Yu)
Hoch ist auch der Aussichtspunkt, den wir bei der Besichtigung des Nanputuo Tempels erklimmen. Wegen des Mid Autumne Festivals sind wir nicht die einzigen Besucher dieser Tempelanlage.
Erstmals entdecke ich eine genaue Beschreibungen der buddhistischen Riten auf Englisch.
Mir ist nicht ganz klar, weshalb die Chinesen diese Tempelanlage besuchen. Der Glaube allein kann es nicht sein. Obwohl beim Eingang auf seriöse Kleidung und ruhiges Verhalten hingewiesen wird habe ich das Gefühl, mich in einer Art Unterhaltungsstätte zu befinden. Von Andacht ist kaum etwas zu spüren. Es wird laut gesprochen und gelacht, wie immer, mit dem Handy telefoniert, gegessen und vor allem sehr viel fotografiert. Die Chinesen lieben es ihre Freunde und vor allem sich selbst im Bild festzuhalten. Der Versuch, Münzen in eine kleine Öffnung eines pagodenähnlichen Turms zu werfen, scheint ein besonderer Spass zu sein. Ich bin sicher, dass auch diese Handlung einen religiösen Hintergrund hat. Mir scheint jedoch, dass der Unterhaltungswert Vorrang geniesst.
Der Weg zur Festung führt durch das Universitätsgelände mit schönen kolonialen Gebäuden und einem Park mit See. Wäre da nicht der einsetzende Regen, wir könnten es geniessen. Und was macht man, wenn es regnet und man keinen Regenschutz dabei hat? Entweder man setzt sich in ein Kaffee oder man besorgt sich ein anderes Dach. Ein Kaffeehaus ist nicht auszumachen. Daher besorgen wir uns ein überdachtes vierplätziges Velogefährt. Damit radeln wir zur Festung.
Eine Festung ist für Soldaten gedacht und nicht für Weicheier. Wir werden mit unserem Untersatz nicht eingelassen. So lassen wir den Besuch der Festung bleiben.
Wir nehmen das Boot auf die nahe Insel 'Gulang Yu'. Eine vierzig minütige Rundfahrt führt uns um die Insel bevor wir an der Insel selbst anlegen. Bekannt ist Gulang Yu auch als 'Insel der Klaviere' (viele bekannte chinesische Musiker kommen von hier) und wegen seiner kolonialen, herrschaftlichen Villen und Gebäuden. Bereits um 1880 war die Insel die Heimat vieler Ausländer. Es gab Konsulate, Kirchen, eine englischsprachige Zeitung und so weiter. 1903 erhielt die Insel den Status einer selbstverwalteten Internationalen Ausländischen Siedlung mit eigenem Parlament und Polizei.
Der frühere Prunk lässt sich mit etwas Fantasie erahnen. Restauriert ist und wird nichts. Uns scheint, als ob China nicht gerne an die Kolonialzeit fremder Mächte erinnert wird und deshalb nichts für den Unterhalt dieser Gebäude unternimmt.Wir besuchen in der grössten Villa, versehen mit einer weit herum sichtbaren Kuppel, ein Orgelmuseum. Wir schlendern durch die engen Gassen, schauen in die verschiedenen vor allem für die Touristen gedachten kleinen Shops. Für Susanna gibt es eine Tasche mit der für sie passenden Aufschrift : „When I get a little money, I buy books. And if there is any left over, I buy food.“ Zur Erfrischung genehmigen wir uns einen Drink in einer Bar. Die zahlreichen Imbissstätten können uns nicht begeistern. Wir nehmen die Fähre zurück nach Xiamen. Schon wieder regnet es. Zum Glück liegt das Harbour Hotel, wo wir im bekannten Seafoodrestaurant essen gehen, gleich gegenüber der Schiffsanlegestelle. Das Essen will verdient sein. Wir erhalten Nummer 84 auf der Warteliste; ausgerufen wird im Moment die Nummer 36! Wir warten und warten und warten ... eine Bar gibt es nicht – Sitzgelegenheiten müssen erkämpft werden – nach zwei Stunden sind wir dran! Der Turbot, die Shrimps und die 'Hot and Sour Soup' schmecken ausgezeichnet. Die Suppe habe ich für mich bestellt. Aber so einfach ist das in China nicht. In diesem Land bestellt jeder zwar für sich, wenn das Essen dann kommt, meist nicht alles auf ein Mal, isst jeder von allem. Eine Portion „meiner Suppe“ ist denn auch für drei Personen berechnet. Susanna hat Glück. Das Los auf der Essensquittung beschert ihr einen Gewinn von 10 Renminbi (etwas CHF 1.50). Dieses Lossystem wurde in China eingeführt, damit die Geschäfte durch ihre Kunden angehalten werden, Quittungen auszustellen. Daran haben auch die Steuerbehörden ihr Interesse.
Aus dem gemütlichen Spaziergang zurück in unser Hotel wird nichts. Es giesst wie aus Kübeln (warm ist es trotzdem). Ein Taxi zu finden ist unmöglich. Total durchnässt erreichen wir zu Fuss unser Hotel. Ob diese Dusche von oben zur Genesung meiner Bronchitis beiträgt, werden wir sehen. So huste ich mich in den Schlaf ...