Bobo hat im Bericht von gestern aus unserem Reiseprogramm nur den letzten Satz vom „Tanzen“ zitiert. Den Anfang der Beschreibung hat er den Lesern unterschlagen. Sie lautet wie folgt: „It is a long driving day, 480 km, but it is a beautiful driving day. We will drive the provincial mountain road from Dali to Puer and the road condition is good, but many turns left an right, up and down ...“
Weil Bobo und ich von Anfang an skeptisch waren, wie wir in China an einem Tag 480 Kilometer Bergstrasse bewältigen sollten, planten wir für diese Etappe zwei Tage mit früher Abfahrtszeit am Morgen ein. Gestern hatte uns das Pech mit dem Eisenstück im Reifen einen Strich durch unsere Zeitrechnung gemacht. Da gestern die Strasse zu Beginn noch sehr gut war und ihr Zustand nur allmählich schlechter wurde, schaffte ich trotz dem Malheur 210 Kilometer.
Wir stehen früh auf und fahren planmässig los. Das Wetter scheint schön zu werden. Ich möchte unbedingt ein Foto vom Strassengraben machen, um den Lesern die Gefährlichkeit dieser Strassenbauweise zeigen zu können. Ich weiss nicht, ob mir dies mit den Bildern der sich im Schlamm des Strassengrabens suhlenden Kuh gelungen ist, aber das zweite Bild scheint eine Vorahnung der Zukunft zu sein ...
Auch wir machen nämlich Bekanntschaft mit dem Schlamm. Zum Glück aber auf und nicht neben der Strasse. Ein neu gebauter Staudamm wird uns zum Verhängnis.
Die im Reisebplan beschriebene „gute Bergstrasse“ gibt es nicht mehr. Wir vermuten, sie ist dem Stausee zum Opfer gefallen. Nun gibt es nur noch die schlechte Bergstrasse, und die ist wirklich schlecht und erst noch vom Regen aufgeweicht. Vielen wird die „Schlammschlacht“ zum Verhängnis. Ein Lastwagen versumpft hoffnungslos.
Dieser Zwischenfall kostet uns zwanzig Minuten Wartezeit und mich als Fotografin verschlammte Stiefel! (Ich bin froh, habe ich Stiefel dabei.)
Die Fahrt geht weiter. Wenn nötig hält Bobo Abstand zum vor uns fahrenden Kleinbus, um mit Anlauf die kniffligsten Stellen zu überwinden. „Wenn der Kleinbus vor uns die schwierigen Passagen schafft, dann wird auch Sir James durchkommen“ denken wir. Und schon passiert es. Zum Glück nicht uns, aber dem Transporter vor uns: er schlittert seitwärts in einen entgegenkommenden Lastwagen. Weitere 20 Minuten vergehen, bis es einige Männern gelingt, den Bus zur Seite zu heben, damit dieser, wenn auch etwas havariert, weitertanzen kann.
Sir James und Bobo als sein Chauffeur gehen siegreich aus dieser Schlammschlacht hervor. Braver James, braver Bobo! Ich schätze mich glücklich, dass erst morgen wieder mein Fahrtag ist.
Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass wir das für heute angestrebte Reiseziel, Puer, nicht erreichen. Da nützt es auch nichts, dass nach Jinggu Daizu, wo wir auf dem Markt noch das Nötigste für heute zum Nachtessen einkaufen, die Strasse wieder als „gute Strasse“ bezeichnet werden kann. „Gut“ bedeutet, dass der Fahruntergrund geteert ist. Bobo muss nur ab und zu wegen Strassenbaustellen Sir James für einige Minuten anhalten oder die Fahrt verlangsamen. Die „gute“ Strasse ist schliesslich „under construction“.
An Position Nord ... und Ost ... haben wir Erholung verdient. Das war wieder ein „Schüttelbechertag“: für mich unangenehm, für Bobo unangenehm und anstrengend und für Susanna, die hinten, seitwärts zur Fahrrichtung sitzt, eine Zumutung! So sollte mein Bericht von heute aufhören. Ich wollte nur noch die Koordinaten einfügen. Doch „sollte“ und „wollte“ sind Konjunktive. Es kommt anders. Die im Bau befindliche Strasse stellt sich nach einigen Kilometern als katastrophal verschlammt heraus. Wir stecken mehrmals wegen Fahrzeugen, die nicht mehr weiter kommen, im Stau. Einmal müssen Strassenarbeiter und -Arbeiterinnen (!) das Trasse mit Steinen füllen, damit ein Durchkommen neben einem gestrandeten Lastwagen möglich ist.
Es ist unterdessen 18:20 Uhr. Gleich wird es dunkel. Und nun schreibe ich endgültig: „An Position Nord 23° 26' 38.9'' und Ost 100° 48' 37.1'' haben wir Erholung verdient.“ Sir James konnte sich ein Stück alter Strasse ergattern. Die neue, im Bau befindliche Strasse führt auf der anderen Seite des kleinen Hügels vorbei.