Reisebericht

Tagesbericht vom 31.07.2010

Wie schon gestern bin ich auch heute zeitig aufgestanden. Wir wollen nicht all zu spät in Ulaan Baatar zurück sein. Die Sonne scheint, der Himmel ist stahlblau. Doch der Schein trügt, Es ist nicht warm. Ein eisiger Sturmwind weht. Die Temperatur liegt bei 11° Celsius, fühlt sich aber an wie knapp über dem Gefrierpunkt. Der Wind bläst so stark, dass es uns nicht auf Anhieb gelingt, das Hubdach zu schliessen. Wir müssen Sir James zuerst anders zum Wind stellen um Erfolg zu haben. - Uns wurde erzählt, dass im Winter bei minus 40° Celsius schon Leute erfroren seien, weil sie im Schneesturm auf dem Weg von der Jurte zum Toilettenverschlag die Orientierung verloren hätten. Bei diesen Windböen kann ich mir das gut vorstellen. Niederschläge in Form von Schnee gibt es in den Wintermonaten nicht viel. Aber die tiefen Minustemperaturen in Kombination mit starkem Wind setzen Mensch und Tier stark zu. So seien letzten Winter grosse Tierbestände vernichtet worden. Davon zeugen die herumliegenden Tierkadaver, die noch nicht ganz verwest sind.

China rückt näher. Endlich. Auf der Fahrt zurück nach Ulaan Baatar erstelle ich mit dem Computer die korrigierte Liste all unserer Habseligkeiten in, auf und um James. Eine provisorische Liste hatten wir bereits Monate vor unserer Abreise aus der Schweiz unserer Reiseagentur in China zustellen müssen. Es liegt auf der Hand, dass diese Liste nicht dem aktuellen Stand entspricht. Für den reibungslosen Grenzübertritt wollen wir Tracy heute noch die aktuelle Liste mailen. Tracy heisst die Dame, welche sich bei der Chinesischen Reiseagentur NAVO Tours mit Sitz in Chengdu um die Organisation unsere Reise durch China kümmert.
Morgen ist für die Schweizer ein besonderer Tag, der Nationalfeiertag. Wir erfahren von unseren Campingnachbarn, Adrian und Susanne aus dem Kanton Aargau, dass der schweizerische Konsul in Ulaan Baatar im Restaurant 'Bistro Saffron' ein Essen gibt. Wir waren im Ausland noch nie an einer solchen 1. Augustfeier. Ist doch spannend, auch so etwas zu erleben, denken wir. Wir fahren mit Adrian und Susanne mit dem öffentlichen Bus (!) hin. Ich glaube Bobo kann sich selbst nicht erinnern, wann er das letzte Mal ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt hat. Aber die Fahrt hat ihm nicht geschadet. Im Restaurant treffen sich der Konsul, seine Frau, drei DEZA Angestellte, eine Reisegruppe aus der Schweiz und wir. Insgesamt sind wir vierzig Personen. Die Reisegruppe ist von der Schweiz aus nach Ulaan Baatar geflogen und hier im Norden der Mongolei dem Schamanismus nachgegangen. Ich frage die neben mir sitzenden Personen alles Mögliche über Schamanismus. Schon interessant. Trotzdem stehe ich den Praktiken der Schamanen skeptisch gegenüber, muss aber gleichzeitig zugeben, dass ich viel zu wenig davon verstehe.
Der aufmerksame Leser stellt zu Recht fest: der 1. August ist erst morgen. Warum feiern wir in Ulaan Baatar bereits heute? Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens reist die Schweizer Gruppe morgen wieder in die Schweiz zurück. Mit nur acht Leuten wollte der Konsul nicht „feiern“. Zweitens darf in der Mongolei am ersten eines jeden Monats weder Alkohol verkauft noch ausgeschenkt werden! Und anscheinend kann man sich einen Nationalfeiertag ohne Alkohol nicht vorstellen. Das Essen im Restaurant – na ja – das war. Rösti ist eben nicht gerade das Nationalgericht der Mongolen. Aber es war ein netter Abend. Der Konsul liest die kurze Rede der Bundesrätin Doris Leuthard vor, die für Auslandschweizer und das diplomatische Corps im Ausland bestimmt ist. Mir ist nur ein Wort aufgefallen. Sie führte aus die Schweiz bleibe trotz aller Widerwärtigkeiten frei. Ich vermisste die Wortfügung „bleibt unabhängig so weit wie möglich“. Aber das ist eine persönliche Anmerkung von mir.
Die Strafe meiner kritischen Bemerkungen zum Schamanismus folgte umgehend. In der Nacht – aber davon müsste eigentlich Bobo berichten – hatte ich wieder einmal eine heftige Durchfallattacke.

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