Schon wieder ein solcher Stress! Aufstehen, Morgenessen, die West India Automobile Association (W.I.A.A.) anrufen („Ja, alles o.k.“, tönt es aus der Hörermuschel), unserem Agenten anrufen: „I will meet you at eleven o'clock in your hotel“. Uff, und so stehen wir in der Hotelhalle, bis unser Agent erscheint. Ab geht die Post zum W.I.A.A.. Alle sind sehr freundlich. Die Echtheitsbestätigung für das „Carnet de Passage“ ist bereits erstellt. Sie kostet uns 500 Rupien. Schnell ins nächste ‚Organisation Kolb'-ähnliche Geschäft, um Kopien von diesem Schreiben und von Liselis Pass zu erstellen. Kostet 20 Rupien. Taxi bezahlen. Kostet 100 Rupien (ah, jetzt beim Schreiben merk ich's: das sind die 100 Rupien, die wiedereinmal im Ausgabenjournal fehlen). Dann ins Büro von unserem Agenten. Er zeigt uns das Schreiben an die Zollverwaltung, mit der Bitte unseren Sir James entladen zu dürfen. Liseli muss unterschreiben.
Da der liebe Mann immer noch das Gefühl hat, dass wir ihn nicht als unseren Freund akzeptieren, zeigt er uns Fotos, die ihm von einer Englischen Familie, die ihr Auto auch mit ihm... usw, usf. und von seiner Familie... usw.. Nach dieser Zeremonie lädt er uns vorerst einmal zu einem Coca Cola in ein Restaurant um die Ecke ein. Dann vermittelt er uns seinen Taxifahrer, der uns zu einem Bookshop bringen soll, welcher garantiert Strassenkarten über Indien führen soll. Wir finden genau eine Karte: die von Maharashtra (Bombay und Umgebung). Nach dem dritten Bookshop brechen wir die Übung ab. Der Bookshop im Hotel scheint uns über die bessere Auswahl zu verfügen. Darum fahren wir ins Hotel. Unterwegs fällt uns ein, dass der liebe Taxifahrer uns eigentlich Bombay zeigen könnte, was er auch gerne macht.
Er zeigt uns alle englischen Gebäude, die - seit dem Mahatma Gandhi die Engländer vertrieben hat - keinen Unterhalt mehr gesehen haben. 50 Jahre ohne Unterhalt ist eine lange Zeit. 50 Jahre auf die Wiedergeburt warten ist auch eine lange Zeit. Und wenn sie dann nicht gestorben sind, so warten sie noch länger. Das älteste englische Gebäude in Bombay ist bereits knapp 300 Jahre alt. Zum Glück ist es eine Kirche, die ab und zu von den Gläubigen noch ein bisschen Geld kriegt, um das Gröbste zu flicken. Der Taxifahrer findet es schade, dass die Engländer nicht mehr hier sind. Immer wieder weist er auf die von den Engländern erstellten Bauten hin und meint, die heutige Regierung sei zu fest mit den Religionen verbunden und lasse alles verlottern. Die Unabhängigkeit Indiens sei viel zu schnell gekommen.
Tatsächlich stehen viele Gebäude ziemlich mitgenommen in der Landschaft. Wegen den eventuellen Bausteinen, die da runterfallen könnten (die Ziegelsteine liegen bereits auf dem Gehsteig), versuchen wir jeweils, den Mauern nicht all zu nahe zu kommen. Ab und zu gibt es auch ein von Tata (er scheint hier alles zu bestimmen) neu erbautes Haus. Die neu erbauten Häuser sehen aber bereits nach dem Aufrichtefest alt aus.
Interessant ist der Besuch des Hauses von Mahatma Ghandi, in welchem er während seinem Aufenthalt in Bombay gelebt hat. Die Ausstellung gibt uns einen interessanten Einblick in sein Leben und Wirken.
Sogar die Fahrt durch die bereits von den Engländern eingerichtete Rotlichtstrasse ist Teil unserer Sightseeing. Auch dieses Viertel scheint seit den letzten 50 Jahren kein frisches Blut mehr erhalten zu haben. Die Viren feiern hier sicher jeweils ihren neuen Triumphzug. Zum Glück sind wir im Taxi und müssen keinen Kontakt mit ihnen aufnehmen.
Wir freuen uns mit Sir James nächste Woche durch die Strassen fahren zu dürfen. Wahrscheinlich wird er – neben all den kleinen, schwarzen Taxis mit dem gelben Dach – kaum auffallen (die Londoner Taxis lassen ihre kleineren Kopien grüssen). Zum Glück haben wir Sir James trainiert an Velofahrern, Kühen (von denen es in Bombay nur wenige gibt), Schubkarren, Bettlern und Autos vorbeizufahren, so dass ihm alles ‚wie gewohnt' erscheinen wird. Nur die zweistöckigen, 50-ig jährigen Londoner Busse hat er bisher noch nie gesehen.
Im Taxi sitzend, haben wir den Eindruck, dass der Verkehr sich recht vernünftig durch die Strassen bewegt. Nur als Fussgänger muss man sich in acht nehmen, nicht zur untersten Kaste, ‚dem Wild' zugeordnet zu werden. Die Hindus schenken den Tieren zwar genügend Beachtung (.. man weiss ja nie ..), so dass man sich sicher fühlen sollte. Da die Muselmanen dank Vielfrauenei sich aber rascher vermehren, ist dies auch nicht mehr gewährleistet (gemäss Taxifahrer: 1/3 Hindu, 1/3 Moslem und 1/3 andere Religionen).