Und da stehen wir vor dem Tor und kommen uns wie Esel vor. Nichts läuft mehr. Alles steht. Es ist 15:45 Uhr. Ein paar Offiziöse telefonieren, aber alles nützt nichts. Ah, wo wir stehen? an der türkischen Grenze zu Iran vor der Stadt Sero, im Dreieck Türkei-Irak-Iran – auch Kurdistan genannt. Die erste militärische Kontrolle haben wir überstanden. Die zweite militärische Kontrolle auch. Nur am Zoll da stehen wir. Wieso? System down. Oh du liebe Microsoft, wann lernst Du endlich ein Betriebssystem zu bauen, welches Grenzbeamte ohne Abstürze unterstützt. Wir können nicht ausreisen, da ohne Ausreiseregistrierung, dies nicht möglich ist. Da ziehen wir doch Afrika vor, wo noch manuell in die Bücher geschrieben wird.
Während wir warten habe ich viel Zeit zum schreiben. Also, heute morgen stehen wir nach einer Nacht mit viel Verkehr - sprich Lärm – auf. Na, wer hätte das gedacht. Das deutsche Paar aus Ulm ist auch noch da und so verbringen wir den Morgen mit Erfahrungsaustausch. Sir James erhält neues Frischwasser, nachdem der Campingplatzbesitzer die Wasserleitung geflickt hat. Voll Enthusiasmus brechen wir gegen Osten auf. Unterwegs treffen wir bei Güselsu – auf deutsch: Schönwasser – auf eine alte Burg. Auf die Besichtigung verzichten wir, wir möchten heute noch nach Iran vorrücken. Wir fahren in die Höhe. Der Van-See liegt auf 1700 Metern über Meer. Der höchste Pass nach Iran liegt auf 2779 Meter über Meer, mit toller Aussicht auf die Schneeberge von Kurdistan. Auf allen Anhöhen links und rechts von der Strasse, die sich durch enge Täler windet, steht die türkische Armee mit Panzern und Haubitzen bereit, jederzeit einen Angriff abzuwehren.
Und jetzt sind wir in Orumiyeh (russisch urumja, zu Schahs Zeiten: Rezaiyeh und je nach dem noch ganz anders geschrieben). Wichtig ist die Position, die hat der Sir James und der steht in der Hotelgarage. Und weil er dort steht hat, er keine Position (zuviel Beton). Hier hin geführt wurden wir von der lokalen Polizei, die uns eine einzigartige Eskorte bot. Das Hotel heisst 'Sahel Hotel' und soll eines der besten sein in dieser Grenzstadt zur Türkei und dem Irak.
Wie wir hier hin gekommen sind? Das ist eine lange Geschichte. Die Ausreise zur Türkei gestaltet sich komplizierter als gedacht. Liseli muss zu Fuss in den Iran. Frauen haben am Zoll beim Auto nichts zu suchen. Zum Glück ist Sir James auf meinen Namen eingeschrieben. Der Fussmarsch gelingt Liseli sogar beim zweiten Anlauf. Zuerst ohne Kopfbedeckung und dann mit Kopfbedeckung und dann ist sie für zwei und eine halbe Stunde verschwunden.
(Zwischenkommentar von mir, Liseli: ich bin eigentlich nicht verschwunden. Ich muss nur alleine durch die iranische Passkontrolle. Zuerst werde ich zurückgewiesen. Ohne Kopfbedeckung darf ich nicht nach Iran. Das weiss ich, aber mein 'Schleier' ist im Auto. Also muss ich zurück zum Auto. Das bedeutet, dass ich zurück über den türkischen Zoll muss. Ich muss dort meinen Pass deponieren. Ich hole das Stück Stoff im James, binde es um meinen Kopf, erhalte meinen Pass wieder vom türkischen Zollbeamten und gehe erneut zum iranischen Zollbeamten. Jetzt klappt es: ich darf nach Iran einreisen. Ich muss ein Formular ausfüllen und danach werde ich gebeten in einer riesigen Halle mit einigen Büros, die meisten sind nicht besetzt, auf meinen „Husband“, auf Bobo, zu warten. Verschiedene Plakate weisen auf die Gefahren im Iran hin: Den Kontakt mit Hühnern soll man meiden, und wenn schon, dann soll man sich danach die Hände waschen. Rauchen schade der Gesundheit. Besser wäre es, auf den Genuss von Zigaretten zu verzichten. Der Import von tierischen Produkten bedürfe einer Bewilligung. Ich frage mich, ob Bobo wohl zwischenzeitlich unseren sämtlichen Proviant, wie Eier, Lachs und auch ein Päcklein geräucherten Schinken wegwerfen musste. Und, wie ergeht es wohl unserem Whisky im Eisschrank und den drei Flaschen Wein? Der Import von Alkohol in jeder Form ist doch absolut tabu? Fragen über Fragen, die ich niemandem stellen kann. Ich warte geduldig und betrachte ein weiteres Plakat: „Down with USA, down with Israel“ und von allen Wänden lachen mir dabei Persönlichkeiten wie Khomeini und Konsorten zu.)
Sir James geht es nicht so gut. Zuerst eine Stunde warten, der Stau verursacht durch den Computerausfall, muss abgebaut werden. Bis der Zöllner die komplizierte Nummer SG 262676 im Computer ausfindig machen kann, vergehen weitere 15 Minuten (die Schlange hinter mir wird nervös). Endlich ist es soweit. Es fehlt noch ein Stempel, den muss ich bei einem Herrn Far... einholen. Aber dieser Herr ist unterdessen nach Hause gegangen. Zwei türkische Damen vom Zoll verstehen englisch und unterschreiben den Stempel im Pass. Ich darf ausreisen. „Nee“, sagt der Zöllner an der Schranke. Ihm fehlt noch der Stempel des Warenkontrolleurs. zurückfahren mit Armeebegleitung ist immer gut. Der Soldat sorgt bei 'Customs' für den richtigen Mann. Dieser kommt und stempelt, fast ohne einen Blick in den Sir James. Endlich darf ich ausreisen.
Doch einreisen in den Iran dauert noch ein bisschen. Nach einer Vierteltsunde warten öffnet endlich ein Zollbeamter das Tor. Ich darf zur Passkontrolle. Das Ausfüllen eines Zettels geht speditiv und das Abstempeln auch. Nach einer weiteren Viertelstunde darf Sir James um das Gebäude herumfahren zu 'Customs Iran'. Kurzer Check der Innenlebens von Sir James. Customs ist zu Frieden hat keinen Alkohol und nichts gefunden. Nach einer weiteren Viertelstunde ist das Carnet de Passage abgestempelt und ich darf, zusammen mit Liseli, das ich inzwischen in der Wartehalle entdeckt habe, in den Iran einreisen. Unterdessen ist es 19:45 Uhr geworden, inklusive den eineinhalb Stunden Zeitverschiebung Türkei-Iran. Gekostet hat uns der Grenzübertritt keinen einzigen müden Cent, obwohl überall von einer Dieselsteuer, einer Haftpflichtversicherung usw. geredet wird.
Und jetzt sind wir im Hotel und geniessen den geschmuggelten Whisky aus Sir James Eisschrank. Zum guten Glück haben wir an der Grenze noch ein paar Euros gewechselt. Morgen Freitag sind die Banken nämlich zu. Und jetzt weiss ich auch, wieso die Stehtoiletten viel besser sind als die Sitztoiletten. Wenn es aus der Dusche spritzt, dann läuft alles die Stehtoilette herunter, ohne zusätzliches Loch im Boden des Badezimmers. (Hotel Sahel)