Es ist 11:30 Uhr. Wir stehen am Zollhäuschen zur Ausfahrt aus Russland und warten. Bereits seit einer guten halben Stunde sind wir hier. Worauf wir warten? Bis der Zoll offen hat. Gemäss Angaben an der Grenze sind die Öffnungszeiten wie folgt: 08:30 - 09:00, 12:00 – 13:00 und 19:00 – 20:00 Uhr. Da haben wir noch Glück gehabt, sind wir nicht beispielsweise um 13:10 Uhr hier angekommen. Ein freundlicher russischer Beamte gibt uns schon einmal die Ausreisepapiere zum Ausfüllen.
Wie sich der weitere Grenzübertritt gestaltet, werde ich heute Abend beschreiben.
Die erste Stadt in Kasachstan wird Oral sein. Dort müssen wir beim OVIR unser Visum bestätigen lassen. Der Konsul von Kasachstan in der Schweiz hat uns vor unserer Abreise von einer Dame, die er in Oral gut kennt, eine Visitenkarte gegeben. Er empfahl uns, uns bei ihr zu melden. Sie werde uns weiterhelfen. Ich bin gespannt, wie wir diese Frau finden werden. Wir haben von Oral keinen Stadtplan. Lonely Planet hat diese Stadt im Reiseführer schlichtweg vergessen. Zwar steht Uralsk im Inhaltsverzeichnis mit dem Verweis, siehe unter Oral. Aber Oral ist nirgends verzeichnet. – Unterdessen warten hinter uns bereits fünf weitere PWs mit ihren Insassen auf die Weiterreise. Sir James steht sozusagen in Poolposition!
Diese gute Ausgangslage nützt uns wenig, denn als wir endlich die erste Schranke um 12:00 Uhr passieren dürfen, stehen wir beim Zollhäuschen auf der falschen Seite an. Da wir bei der Einreise nach Russland kein Doppel unserer Zolldeklaration erhalten hatten, müssen wir diese jetzt bei der Ausreise nochmals im Doppel ausfüllen, Das Doppel wird uns dann abgestempelt wieder zurückgegeben. Was das soll, erkennen wir nicht. Einen weiteren russischen Zöllner interessieren vor allem die von Bobo angefertigten fünf kleinen Aufbewahrungskästchen oberhalb der Windschutzscheibe unter dem Dach. Bobo muss dem Zöllner den Inhalt jedes Kästchens zeigen. Natürlich haben wir nichts zu verbergen. Wir dürfen ausreisen.
Dann kommt der kasachstanische Zoll an die Reihe. Die Kasachen lassen immer nur ein Auto nach dem anderen in ihr Land. Das heisst, erst wenn der oder die Vorgänger alle Formalitäten erledigt haben, kommt der oder die Nächste an die Reihe. Irgendwann sind auch wir dran. Zuerst werden unsere Visa kontrolliert. Dann werden wir freundlich nach dem Woher und Wohin gefragt. Danach bekommt Sir James einen Ausweis, dass er mit uns durch Kasachstan reisen darf. In einem nächsten Raum erhalten wir noch die Zolldeklaration, die der Beamte gleich selber im Doppel von der russischen abschreibt. Wir, besser gesagt, Bobo (wir sind schliesslich in einem islamischen Land) muss nur noch unterschreiben. Endlich, um 14:30 Uhr betreten wir kasachstanischen Boden.
Wir kommen nicht weit, schon hält uns eine Polizeikontrolle an. Der Polizist weiss sofort, dass wir Schweizer sind. Kein Wunder, weiss er das, war er doch am Zoll, als wir die Formalitäten erledigt haben. Ihn interessieren nicht unsere Papiere, sondern vielmehr, wie lange wir schon unterwegs sind, durch welche Länder wir gefahren sind und so weiter. Dann wünscht er uns „gute Reise“ und lässt uns ziehen.
Ich bin etwas nervös. Wie werden wir diese Dame in Oral nur ausfindig machen können. Und wenn wir endlich an der richtigen Adresse sein werden, wird sie überhaupt da sein? Wird sie uns helfen können, unser Visum bei der offiziellen Stelle bestätigen zu lassen?
Oral scheint eine grössere Stadt zu sein. Beim zweiten Anlauf steuern wir auf das Zentrum zu. Wir fragen verschiedene Leute, Militärpersonen, Polizisten, Passanten nach der Kirova Strasse. Interessanterweise sind sich alle mehr oder weniger über die Richtung einig. Natürlich verstehen wir nicht immer, wenn sie uns den Weg erklären. Doch dann kommen wir tatsächlich beim Tor der Firma an. Unglaublich. Wir fragen nach Frau Kabdinova. Eine nette Dame kommt uns entgegen. Sie ist effektiv die Frau, deren Namen wir vom Konsul in der Schweiz erhalten haben. Und wie sie uns berichtet, hat der Konsul sie vor zwei Monaten sogar angerufen und sie auf unseren Besuch vorbereitet. Damit die Konversation leichter ist, ruft sie ihre Dolmetscherin herbei. Wir fühlen uns wie auf einem Staatsempfang. Sie telefoniert und gibt uns Bescheid, dass es nicht notwendig sei, die Visa bestätigen zu lassen. Als wir sie bitten, uns ein Hotel anzugeben, lädt sie uns in das der Firma angegliederte Gästezimmer ein. Ein riesiges Zimmer mit TV (es läuft gerade ein uralter Film mit Marilyn Monroe, kasachisch synchronisiert), und Eisschrank. Daran angegliedert ist das Badezimmer mit Waschmaschine (!) Marke ‚Bosch'. Alles steht zu unserer Verfügung. Sogar Sir James dürften wir in der Einstellgarage waschen. Aber stattdessen werden wir mit dem Wasser morgen lieber unsere Frischwassertanks nachfüllen. Wir fühlen uns sehr verwöhnt. Leider muss Frau Kabdinova nach Astana verreisen. Aber ihre Dolmetscherin werde sich um uns kümmern. Wir gehen mit dieser auf die Bank und beziehen am Bankomaten Tenge, machen einen Stadtbummel und gehen danach am Ural (Fluss) etwas essen. Wir nutzen die Gelegenheit uns mit jemandem, der Englisch spricht unterhalten zu können und fragen Assel alles Mögliche und Unmögliche. So geht ein ereignisreicher Tag zu Ende. Und ich bin froh, dass wieder einmal alles so problemlos über die Bühne gegangen ist. Und wir und unsere Kleider sind frisch gewaschen und duften wunderbar!