Tagesbericht vom 26.06.2004
Russland ist eine Reise wert. Das muss man erlebt haben! Wir haben zwar viel Zeit, da wir erst am 1. Juli in Kazachstan einreisen können – unser Visum ist erst ab diesem Datum gültig -, dennoch möchten wir eigentlich nicht unsere Zeit auf irgendeinem Büro eines dusligen Mitgliedes des Amtsschimmels verbringen. Ah, ihr wisst nicht wovon ich rede! Also das kam so. Auf unserer Fahrt entlang der Wolga stossen wir auf die Stadt Volszk. Kein grosser Name, aber wir beschliessen in die Stadt zu fahren, um sie anzuschauen.
Am Polizeiposten zur Stadteinfahrt kommen wir noch schadlos vorbei. In der Mitte der Stadt steht jedoch ein junger Polizist, der offensichtlich viel Zeit hat. Er beschliesst unsere Papiere zu studieren: die Zolldeklaration für Sir James, den Fahrzeugausweis (respektive die mit dem Computer erstellte Kopie dieses Dokumentes), die internationalen Fahrausweise, die Pässe. Er liest und liest, fragt nach dem woher und wohin, besichtigt Sir James von allen Seiten her. Dann telephoniert er. Ein Taxifahrer kommt und fragt, ob es Probleme gebe, redet auf den Polizisten ein, uns doch weiterziehen zu lassen.
Nein, wir müssen auf die Milizia. ‚Registrieren lassen', meint er. Auf dem Polizeiposten interessiert sich niemand für diese Sache. Also führt der Polizist uns in ein anderes Haus und Büro. Wie mir scheint handelt es sich um die Einwohnerkontrolle. Irgendein Beamter studiert die Pässe und meint er sei nicht zuständig. Also geht die Reise weiter zu einem nächsten Gebäude in ein anderes Büro. Der zuständige Beamte moniert, dass wir ein Business Visa haben. Ja, das haben wir, und? „Wie lange wir in der Stadt bleiben wollen“, fragt er. Gar nicht, wir wollen nur die Stadt ansehen und weiterfahren. „Hier gibt es nichts anzuschauen“, meint er und wir sollten deshalb die Stadt wieder verlassen. Damit wir auch sicher verschwinden begleitet er uns zum Auto. Wir bekommen unsere Papiere zurück und müssen weiterziehen. Das ist wahrhaftig ‚gastfreundlich'.
Als wir zur Stadt herausfahren, kommen wir natürlich nicht ungeschoren am Polizeiposten vor der Stadt vorbei. Tausend Fragen (diesmal aber eher freundlich gemeint) zehren an unseren Nerven. Als wir endlich weiterfahren können, beginnen wir zu verstehen, weshalb die Leute in dieser Stadt so weltoffen sind. Die Strasse ist in einem verheerenden Zustand. Ein Loch ist gemäss Definition ein von Etwas umgebenes Nichts. Das Etwas fehlt bei dieser Strasse jedoch komplett. Im Schritttempo bewegen wir uns vorwärts. Kein Wunder kommen die Einwohner von Volszk nie aus ihrer Stadt heraus und haben keine Ahnung von Tourismus.
Syzran ist unsere nächste Stadt auf unserem Weg nach Uljanovsk. Wie bereits erwähnt, haben wir keine Strassenkarte im Massstab 1:100'000 mehr. Daher irren wir mehrmals herum, bevor wir den Weg über die Bahngeleise finden. Da Lenin (geborener Ulianov) nicht mehr so ‚in' ist, sind wahrscheinlich auch die Wegweiser nach Ulianovsk verschwunden.
‚Ulianovsk' muss einmal sehr hoch in der Bewertung gestanden haben: die Strasse ist etwa vierzig Meter breit (natürlich ohne weisse Linien, so dass jeder der Wenigen die hier fahren. den Weg selber bestimmen kann) und – für Russland eine Seltenheit – es gibt Rastplätze entlang der Strasse. Diese Rastplätze haben allerdings vor etwa zwanzig Jahren die letzte Pflege erhalten, so dass wir es vorziehen, Sir James neben der Piste an Position Nord 53° 49' 34.6“ und Ost 48° 18' 42.3“ zu parken. Sir James wurde unterwegs 110 (tausend) Kilometer alt (an der Position Nord 53° 25' 27.1“ und Ost 48° 21' 5.2“). Gratuliere Sir James, bald erhältst Du neues Öl und erhältst einen Reifenwechsel. Zufrieden?