Reisebericht

Tagesbericht vom 01.08.2004

Ein wunderbarer Tag beginnt. Draussen ist es 1.9° Celsius warm, drinnen ist es 17°. Langsam erscheint die Sonne hinter dem Wald. Kein Wölkchen ist am blauen Himmel zu sehen.

Nach ein paar Kilometern hört die gute Ausbaustrecke auf und es beginnt die Neubaustrecke. Die Hügel werden tief eingeschnitten, um mit dem Aushub Strassendämme in den Tälern zu bauen. Wir fahren auf der Baustrasse um die fehlenden Bergschneisen und Strassendämme herum. Da es nicht immer ganz klar ist, wo die Strasse durchgeht, fragt Liseli ab und zu einen Bauarbeiter nach dem Weg. An Position Nord 53° 16' 31.7“ und Ost 118° 50' 11.8“, um 10:47 Uhr erreichen wir den fünfhundertsten Kilometerstein. Für den langen Weg von Tschita hierhin brauchten wir nur 45 Stunden! Aber wenn die Strasse im Jahr 2008 fertig geteert ist, wird sie sicher zu einer weiteren Traumstrasse der Welt ernannt werden. Vorderhand ist aber auf dieser Traumstrasse eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometern per Stunde angesagt.

Wenn jemand ein Haus baut, dann gibt es ein Aufrichtefest. Das heisst nicht, dass das Haus bewohnbar ist. So ist das wahrscheinlich auch mit der jetzigen Strasse gemeint: im Februar 2004 wurde die Strasse von Sibirien nach dem Fernen Osten Russlands eingeweiht, in der Meinung, dass von jetzt an die Bautrupps mit den Detailarbeiten beginnen können. Nicht einmal die definitive Linienführung wurde damit bestimmt. An einigen Stellen fahren wir auf der Baufahrzeugzufahrtsstrasse, an einigen Stellen auf der definitiven Strasse und an einigen Stellen wissen wir überhaupt nicht, wo wir fahren. Plötzlich sind wir aber mit einem Gewaltsprung einige Kilometer vorwärtsgekommen: die Kilometertafel zeigt 637 Kilometer von Tschita entfernt. Die letzte Anzeige betrug hundert Kilometer weniger. Die neue Strasse führt 11 Kilometer südlich an Mogotscha vorbei.
Und während ich schreibe und Liseli fährt treffen wir auf einen Hilfesuchenden: beide Vorderräder platt. Der Wagenheber ist gefragt. Mit unserem Wagenheber wir das Auto aufgebockt, ein Stein darruntergestellt und wir können weiterfahren. Mich nimmt nur Wunder, wie der wieder von Stein runterkommt. Keine hundert Meter weiter liegt ein armer kleiner Honda neben der Strasse. Es hat ihn überschlagen und er ist in den Strassengraben gefallen. Kein Problem für Sir James, er zieht ihn wieder auf die Strasse. Doch weiterfahren kann er nicht, der Motor will nicht mehr. Die Gruppe sucht noch ein Abschleppseil. Unseres geben wir aber nicht her. Solche Ereignisse drücken natürlich unsere Kilometerleistung deutlich hinunter. Hoffentlich werden wir bald ‚Ritter der Strasse Russlands'!

Jetzt hat es uns erwischt. Sir James lahmt auf dem rechten Hinterfuss. Zum Glück ist noch nicht die ganze Luft draussen. Zudem beginnt es zu tröpfeln. In Windeseile wird das Rad gewechselt. Nach 5 Minuten fahren wir weiter. Der einzige Trost auf dieser Strecke ist, dass es genügend ‚Schinomontage'-Geschäfte gibt. Schinomontage heisst soviel wie Pneuwerkstatt auf russisch. Kurz vor dem Einnachten landen wir an Position Nord 53° 57' 51.1“ und Ost 121° 13' 35.2“, wo wir unsere Enterkotes verspeisen und die Nachtruhe geniessen.

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