Tagesbericht vom 03.08.2004
Erst um 10:00 Uhr kommt Sir James in Fahrt. Trotz dem Gewitter in der vergangenen Nacht ist es angenehm warm (13° Celsius). Wahrscheinlich macht sich der Pazifik oder das Japanische Meer bereits bemerkbar. Nahe unserem Schlafplatz muss der tausendste Kilometerstein gelegen haben, denn den ersten Kilometerstein, den wir auf der Neubaustrecke sehen, ist bereits mit 1007 beschriftet. Da wir vor der Baustelle Rast gemacht haben, kommen wir auf der Neubaustrecke nach dem Strassenkreuz bei Never rasch vorwärts.
In Gontscha hört die Freude allerdings auf: wir müssen die alte Strasse nach Magdagatschi und Belogorsk nehmen. Wir haben aber bereits mehr als die Hälfte des Weges nach Khabarovsk hinter uns, so dass wir keine Eile haben. Der ‚Amur Highway' - wie wir in nennen - ist ja schliesslich 200 Kilometer kürzer als der Alaska Highway und den Alaska Highway haben wir bereits vor zwei Jahren geschafft. Dank dem Aufkleber an Sir James wissen wir, dass der Alaska Highway 1481 Meilen lang ist. Hoffentlich finden wir in Khabarovsk auch einen solchen Aufkleber. Die Hoffnung ist jedoch klein, die Russen sind keine guten Verkäufer!
Zum Glück fallen jetzt einige Regentropfen vom Himmel. Das tut der Strasse gut und der Kehle. Meine Stimmbänder sind von den staubigen Naturstrassen schon dick belegt. Ansonst gibt es nicht viel zu berichten. Links verläuft das Trasse der Transsibirischen Eisenbahn, parallel dazu unser Feldweg, rechts davon das an den Masten und Querträger aufgehängte Telephonkabel und noch mehr rechts ragen die Stämme der Birken aus dem sumpfigen Boden. Der Strassenstaub hat die sonst grünen Blätter dieser Bäume brau eingefärbt.
Die Strassen sind nicht nur staubig, sie sind auch holprig. Wenn irgendjemand Nierensteine hätte, wären sie sicher runtergeschüttelt worden. Der Koch an Bord weiss zu erzählen, dass der Rahm im Kühlschrank nach einem Tag geschlagen ist und am zweiten Tag zu Butter wird. Musik gibt es keine mehr. Die ewigen Repetitionen und Aussetzer der spursuchenden CD-Laufwerke im Computer gehen uns langsam auf die Nerven. Das kopieren der Musik auf die Harddisk brachte auch keinen Erfolg. Wahrscheinlich laufen die Harddisk auch nicht mehr rund.
Auf dem Gleis der Transsib fährt ein Zug nach dem andern. Wie der Strasssenverkehr fährt auch die Eisenbahn im Rechtsverkehr, aber ein bisschen schneller. Sie schafft fünfzig Kilometer per Stunde; wir Ausländer nur dreissig bis vierzig. Vor Tygda gibt es 200 Meter lochbefreite Teerstrasse. Wahrscheinlich ist dies ein Geschenk an Sir James zum 121-sten Geburtstag.
Langsam treffen wir auf diejenigen Gelegenheitskäufer, welche Pech hatten beim Autokauf in Wladiwostok. Für sie ist nach tausend Kilometer Fahrt das Geschäft mit dem billigen Occasionsauto aus Japan zu Ende. Ratlos stehen sie um das unbekannte Objekt herum und versuchen das streikende Ding zur Fortbewegung zu zwingen. Für Russen ist das kein Problem. Mit dem Hammer kann jede Knacknuss geöffnet werden. Die stressgeplagt dreinschauenden und mit Nachwuchs belasteten Begleiterinnen scheinen die Szene auch nicht zu erhellen.
Endlich treffen wir wieder auf die Neubaustrecke, im unendlichen Sumpfgebiet nördlich von Muhino. An Position Nord 52° 36' 20.9“ und Ost 127° 1' 4“ finden wir sogar einen Rastplatz, wo Tausende von Mücken bereits auf unsere Ankunft warten.