Lang, lang ist's her. Genau vor einem halben Jahr sind wir in Oberuzwil losgefahren. Die halbe Welt haben wir von Norden nach Süden und von Westen nach Osten durchquert. In Williams auf der Route 66 westwärts beginnt des zweite halbe Jahr Abenteuer, leider noch ohne Sir James, welcher heute in Singapur Richtung Los Angeles schifft (dies hoffen wir wenigstens). Mit dem heutigen Tag beginnen auch erst die Ausgaben. Die Reisekosten, die wir bis zum jetzigen Zeitpunkt hatten entsprechen ungefähr dem Steuerbetrag, den wir in der Schweiz hätten zahlen müssen. Da wir in der Schweiz abgemeldet sind, bezahlen wir als Globetrotter keine Steuern.
In Seligman verlassen wir die Interstate 40, um auf der alten, klassischen Route 66 parallel zur Santa Fee Eisenbahnlinie nach Westen zu fahren. Seligman ist ein wirklich alt gebliebenes Westernstädtchen mit Saloon, alten Westernläden, usw.. Unterwegs gibt es weitere Attraktionen: die ‚Grand Canyon Caverns'. Natürlich müssen wir uns die anschauen gehen. Wir verlassen deshalb die Route 66 und nehmen die unterirdische Abkürzung!
„Wieso eine Höhle, die 123 km weit vom Grand Canyon liegt, Grand Canyon Caves heisst?“ Diese Frage stellten wir uns auch. Scheinbar dringt der Rauch aus den Felswänden des Grand Canyon, wenn jemand in diesen Höhlen ein Feuer macht. Das Höhlensystem entstand durch Ausspülungen der weichen, waagrecht verlaufenden Gesteinsschichten und befindet sich 64 Meter unter der Erdoberfläche. Die Höhlen sind trocken und weisen das ganze Jahr eine konstante Temperatur von ca. 22° auf. Das ist ein ideales Klima, um Vorräte zu lagern. Die Amerikaner haben deshalb einige Tonnen Esswaren und Wasser dorthin gebracht. Tiere, die durch die vertikalen Felsspalten gefallen sind, wurden dort für ewige Zeiten konserviert. Ein mumifizierter Bär und eine 150 Jahre alte, mumifizierte Wildkatze wurden im Höhlensystem gefunden und können betrachtet werden. Kratzspuren an den Wänden zeigen die vergeblichen Versuche des Bären wieder an das Licht zu kommen.
Peach Springs, Truxton, Valentine, Hackberry, Antares, Walapai und Kingman heissen die weiteren Westernstädtchen mit ihren klingenden Namen an der Route 66. Schade, dass es keine Büffelherden mehr gibt. Es muss herrlich gewesen sein durch diese weiten Ebenen zu reiten. Tausende von Kilometer weit. Von Antares nach Kingman verläuft die Rote 66 schnurgerade – 30 Kilometer lang - durch dieses kaum besiedelte Hochland auf 1000 Metern über Meer. In Kingman ist nicht mehr viel zu spüren vom alten, wilden Westen. Wo ehemals die Westernstores gestanden sind, säumen heutzutage Tankstellen die Strasse. Wir verlassen die Route 66, welche weiter nach Westen führt. Wir machen einen Abstecher nach Nordwesten. Auf der Route 93 fahren wir in Richtung Las Vegas.
Um 13:30 Uhr sind wir an der Grenze zu Nevada. Hoover Dam heisst das Grenzbauwerk an der Position Nord 36° 0' 57.62“ und West 114° 44' 14.80“. Imposant, was die Amerikaner 1935 hier aufgestellt haben. Millionen von Kubikmeter Colorado Wasser werden gestaut, was zu einem gewaltigen See hinter der Staumauer führt. Dank diesem Staudamm kann Las Vegas soviel Automaten und Lichteffekte betreiben.
Luxor heisst die Luxusbude in Las Vegas, in der Mc Gray seinen Parkplatz findet (Position Nord 36° 5' 40.70“ und West 115° 10' 41.63“). Im Innenraum der Pyramide von Luxor stossen wir auf Tutenchamun, Isis und Osiris. Die ägyptische Götterwelt ist – soweit wir dies feststellen können - vollständig versammelt und beansprucht nur ein paar wenige Quadratmeter, so dass die Spielautomaten auch noch Platz finden. Von Luxor gehen wir den Las Vegas Boulevard nordwärts nach New York. Doch die modernere Stadt zieht uns nicht so an. Rom interessiert uns mehr. Das Kolosseum ist zwar erst im Bau, weshalb wir uns mit dem Palast von Caesar begnügen müssen. Nach Rom machen wir einen kleinen Ausflug auf den Eifelturm in Paris. Mir scheint das Original sei ein bisschen höher. Irgendwie haben sich die Amerikaner in den Dimensionen geirrt. Vom Eifelturm springen wir runter auf die Rialtobrücke von Venedig. Das stimmt zwar nicht ganz, denn das Venedig in Las Vegas ist komplett überdacht! In Venedig selbst merkt man dies aber kaum. Erst nach einiger Zeit stellt man fest, dass das Wetter sich nie ändert und der Sonnenstand nie wechselt. In einem der engen Gässchen von Venedig gibt es feine Penne und Fettucine. Im Canale Grande rudert ein Gondoliere ein frisch gebackenes Hochzeitspaar an uns vorbei. Hübsch, was es da alles gibt. Das Venecian ist wahrscheinlich das charmanteste Vergnügungszentrum in Las Vegas. Ausser dem neuen, 1200 Fuss hohen Fernsehturm, auf dem eine 8-ter Bahn in schwindelnder Höhe rund um den Turm fährt (wahrscheinlich etwas für starke Nerven).
Jetzt wissen wir auch, wieso man in Las Vegas unbedingt spielen muss: da alles ziemlich teuer ist, ist man darauf angewiesen neue Einnahmequellen zu erschließen. Wir lassen die unendlichen Spielgelegenheiten in Ruhe, so dass die Kosten noch kalkulierbar bleiben. Todmüde von unserem Trip durch Europa schlüpfen wir im 5-ten Stock der Pyramidenwand von Luxor in unsere Ruhestätte. Die Schnellbahn transportiert uns auf dem letzten Streckenabschnitt von Excalibur nach Luxor.
In Amerika ist alles anders. Es ist wirklich alles anders. Auch bei Bobo und mir. Nein, nein, wir leiden nicht unter dem ‚Couple Traveller Syndrom'. Wir geniessen unsere gemeinsame Reise sehr. Aber ... wir fahren nicht mehr abwechslungsweise, sondern ich fahre täglich. Bobo kümmert sich mittels der gekauften elektronischen Strassenkarte um den richtigen Weg. Und weil er schon ständig im Kontakt mit dem Computer ist, schreibt er auch live den Reisebericht. Merkt man, oder? Nun, da wir im Motel sitzen, möchte ich seinen Ausführungen noch einige Gedanken, eher allgemeiner Art, hinzufügen:
Immer wieder vergleiche ich die Eindrücke von Indien mit den neuen Eindrücken von Las Vegas. Hier nur zwei Beispiele: In Indien kommt es immer wieder zu Stromunterbrüchen. Man stelle sich vor: Las Vegas ohne kontinuierliche Stromversorgung! In Mumbai beobachteten wir im neuen Shoppingcenter (zu vergleichen mit dem Migros City in Zürich) die Besucher, wie sie sich im Rolltreppenfahren übten. In Las Vegas ist das Vergnügungsareal eines Luxushotels grösser als die neuen Center in Mumbai oder Chennai. Nebst den zahlreichen Rolltreppen und Rollbändern – sogar über die nachgebaute Rialtobrücke von Venedig – gibt es im Venecian sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Stock einen Canale Grande mit echten Gondoliere. In Amerika ist tatsächlich alles anders. Wir erleben es hautnah, und das ist sehr faszinierend.