Heute schlafen wir wie die Maharadscha (an Position Nord 26° 12' 14.6“ Ost 78° 9' 59.8“). Wir sind in Gwalior, im Usha Kiran Palace. Haben ein Zimmer, so gross wie zu Hause eine Etage Wohnfläche, mit einem Nebenraum, genannt Badzimmer, so gross wie die Garage zuhause für zwei Autos und andere Fahrzeuge. Und das alles für den bis jetzt günstigsten Preis in Indien. Der Concierge ist so herzig: a) beschwört er uns in unserem Raum etwas zu trinken und nicht an der stickigen Bar. b) kaum sind wir 5 Minuten in unserem Raum, ruft er uns an, ob wir uns auch wohl fühlen. Und ob, wie die Maharadscha.
Von der Fahrt von Bhopal nach Gwalior gibt es nicht viel zu erzählen. Die rund 400 km lange Fahrt haben wir ohne besondere Mühe geschafft. Sie ging wiederum an vielen Tata-Lastwagenleichen vorbei. Langsam sind wir auch ‚in' und wissen, dass jeder nur vorwärts und für sich schaut, weder rechts noch links noch nach hinten (wie soll dies ohne Rückblickspiegel auch funktionieren?). Die Hupsignale dienen dazu, seinen eigenen Standort anzugeben, so dass die andere Verkehrteilnehmer wissen, wer alles da ist. Dieses Prinzip funktioniert auch, man muss es nur akzeptieren (Auch wir schauen nur noch äusserst selten zurück!!!) Unterdessen kennen wir auch die Lichter- und Winkzeichen der Fahrer. Wenn jemand entgegenkommt und die Scheinwerfer einstellt, heisst das: Ich überhole jetzt, das entgegenkommende Fahrzeug soll abbremsen oder an den Strassenrand fahren. Wenn das vordere Fahrzeug den rechten Blinker betätigt (wir fahren links), dann heisst das: das hintere Fahrzeug kann jetzt überholen! Wenn das vordere Fahrzeug den linken Blinker betätigt, dann heisst das: bleib links, überhole mich ja nicht, entweder biege ich rechts ab oder ich muss nach rechts ausweichen! Logisch, oder? Die Denkweise scheint umgekehrt zu unserer zu sein; sie geben nicht an, was sie als Fahrer zu tun gedenken, sondern, wie sich der Verkehrspartner zu verhalten hat!
Während der Fahrt kommen wir nach längerer Betrachtung und Beurteilung der vorbeiziehenden Gegend zum Schluss, dass sich Indien doch kaum von Westafrika unterscheidet. Sogar das Wasser wird von Hand aus dem Boden gepumpt und die Kanalisation verläuft wieder dem Strassenrand entlang. Zu Westafrika gibt es einen hervorstechenden Unterschied, welcher eine Folge des Kastendenkens (oder ist es Schubladendenken) ist: alle Geschöpfe sind absolut gleichwertig: alle schlafen, essen, trinken, urinieren an den gleichen Stellen. Allerdings: beim Überqueren der Strasse sind die Tiere (vor allem die Kühe, Ziegen, Schweine, Hunde, Schafe, Kamele, Elefanten, Affen ...) bessergestellt, den Menschen weicht niemand aus!
So und jetzt gehen wir das Fort von Gwalior besuchen, das Bier haben wir bereits im Magen. Um sieben Uhr am Abend soll es dort eine Light Show geben! Also lassen wir uns vom Concierge eine Wegbeschreibung geben. Zuerst halten wir ihm den Stadtplan aus dem Lonely Planet vor die Nase, aber er begreift die Hieroglyphen im Lonely Planet genau so wenig wie ich. Er zeichnet auf einem Stück Papier den Weg auf, den Weg den wir gekommen sind durch die Schlucht zurück!
Liseli ihrerseits kann die Hieroglyphen des Concierge nicht lesen und nimmt den Stadtplan aus dem Lonely Planet (Liseli ist die Einzige, die so etwas lesen / begreifen kann). Und wo landen wir: Sir James darf im ersten Geländegang (Kriechgang) die 100 Meter hohe, senkrecht abfallende Felswand zum Fort von Gwalior überwinden. Es gibt zwei Zufahrten (das erfahren wir natürlich erst später). Die eine Zufahrt im Süden – weniger steil – für Automobile und eine zweite Zufahrt im Nordosten, die ehemalige Schlosszufahrt für Elefanten und Pferde, resp. für die auf diesen Viechern reitenden Gäste des Königs von Hindustan! Und welchen Weg nehmen wir?
Vor dem Eingangstor im Tal unten warten viele Rikscha. Tor tönt ein bisschen billig, man muss sich schon ein Schlosstor à la Versaille oder Schönbrunn vorstellen. Wir steuern der Eingangspforte zu. Es kommt uns jemand entgegen. „To the fort“ sagen wir ihm, er lasst uns durch das Tor fahren. Hinter dem Tor geht es auf Pflastersteinen steil bergauf. Da kommt die erste Kehre. Hinter der ersten Kehre wird es noch steiler. Vorsichtig wie ich bin schalte ich den Allrad- und Geländegang ein. Liseli ist nicht mehr ganz überzeugt. Jetzt kommt die zweite Kehre. Also in einem Zug schafft das Sir James nicht mehr, die Kurve ist zu eng. Dann kommt die nächste 90° Kurve, der Eingang in die Burg. Das Tor ist nur halb offen: für die Fussgänger und deshalb zu eng für Sir James. Vor dem Tor ist ein steiniger Absatz 5 bis 10 Zentimeter hoch, je nachdem wo die Elefanten anno dazumal mehr gestampft haben. Liseli will nicht mehr; umkehren heisst die Devise. Da kommt ein Mann auf Sir James zu, winkt uns und will uns die riesige, hölzerne Burgpforte öffnen. Wer kann aber einen Torflügel öffnen, welcher die letzten paar Jahre immer verschlossen war und zudem 4 Meter hoch ist! Sir James muss sich deshalb dünn machen und durch das Halbtor fahren. Die beiden Benzinkanister links und rechts sind immer noch am Platz und dem Tor fehlt keine Scharte! Auf dem Fortgelände angekommen, dürfen wir Sir James vor dem Schloss parken. Der Mann, der uns hilft, ist Führer und anerbietet uns eine Besichtigung des ganzen Komplexes, obwohl bereits alles zu ist. Sogar der Wächter mit den Schlüsseln wird aufgeboten! So erleben wir eine Privatführung bei einbrechender Dunkelheit mit einem sehr kompetenten Mann.
Wir besuchen die verschiedenen Teile des Forts und fahren mit Sir James der gesamten Festung entlang (ca. 3 km lang und 1 km breit). Seit 1100 Jahren wird an diesem Fort gebaut. Hindu, Türken, Araber und Engländer haben jeweils ihre Gebäude gebaut oder die existierenden für ihren Zweck genutzt und umgebaut. Der erste Hindukönig liess auf dem Felsrücken ein Schloss bauen aus Dankbarkeit für die Heilung von der Leprakrankheit durch das Wasser eines Brunnen auf dieser Anhöhe.
Unterwegs begegnen wir noch der Festungspolizei in ihrem Gefährt. Hoffentlich suchen sie nicht nach dem Fahrzeug, welches über den alten Schlosszugang nach oben gefahren ist. Die Polizisten halten uns - Dank unserem Führer - nicht auf und wir fahren freundlich winkend an ihnen vorbei. Nach der Führung gibt es noch eine Light and Sound Show, die etwa eine Stunde dauert und um 21:30 Uhr zu Ende ist.
Jetzt fahren wir nach dem Plan des Concierge zum Hotel zurück. Fragen den an einer Ecke stehenden Polizisten im Strassengewühl von Gwalior nach dem Weg und sind in ein paar Minuten im Hotel, so dass es um 22:00 Uhr noch etwas zu Essen gibt. Die vielen Kühe, Geissen, Schafe, Menschen, Handkarren, Ochsenkarren, Velofahrer, Motorradfahrer, Rikscha, Auto und Lastwagen haben unsere Fahrt bei Nacht erstaunlicherweise unversehrt überstanden!
Die Steilwände des Forts werden übrigens wiederum von Künstlern bearbeitet. Es entstehen riesige Buddhafiguren, neue Höhlen (Caves), usw..