Tagesbericht vom 10.12.2002
Nach vier Ferientagen sollten die Einwohner von Algeciras eigentlich geil nach Arbeit sein. (An der Wand des Zoll sehen wir später einen Hinweis: Arbeitszeit im Dezember von 09:00 bis 14:00 Uhr.) Wir tasten uns – nachdem wir das fast teuerste Hotel in Algeciras mit den dreissig jährigen Spannteppichen und dem unfreundlichen Morgenbuffet hinter uns haben – zu Maersk Sealand Espana SA vor. Die Seguridad am Eingangstor begrüsst uns freundlich - sie erinnert sich an unseren Besuch vor vier Tagen - und meint, wir sollen es bei Maersk Sealand Logistik versuchen. Und damit beginnt der heutige Postenlauf.
Maersk Sealand Logistik ist noch nicht zuständig. Wir sollen doch bei Maersk Sealand Import beginnen. Die Logistik ist innerhalb des Hafenareals, der Import natürlich ausserhalb. Die Importdame strotzt vor Freundlichkeit – wahrscheinlich hatte sie keinen guten Sex über die Feiertage! Heute, um 09:00 Uhr einen Wagen im Hafen abholen sei absolut unmöglich, meint die Freundlichkeitshexe. Vielleicht würde es für morgen klappen. Wir hätten uns am Vortag melden sollen. „Aber Algeciras hatte doch 4 Feiertage?“ antworten wir. Aber da könne sie doch nichts dafür, meint sie. Wir weisen darauf hin, dass man uns am Freitag mitgeteilt habe, dass wir das Auto am Dienstag abholen könnten. Aber das scheint sie wenig zu beeindrucken. Liseli möchte den Chef sprechen. Der sei in der Pause, beim Kaffee, wird uns beschieden. Wir geben nicht auf. Nach einigem Hin und Her scheint sie zu begreifen, dass wir uns nicht abwimmeln lassen. Und bezahlen müssen wir auch noch. Das, was wir in Panama bezahlt hätten, gelte für Algeciras nicht! In Panama haben sie nur das Transportieren der Fracht per Schiff und das Abladen der Fracht im Hafen von Algeciras, nicht aber das Auspacken der Fracht aus dem Container berechnet. 150 Euros soll das Auspacken kosten. Unsere Intervention, dass wir Sir James selber aus dem Container fahren, hilft wenig.
Nach endlicher Diskussion lässt sich unsere Importlady dazu herab, uns zu sagen, dass wir beim Zoll zuerst eine Bewilligung für das Entpacken des Containers beantragen müssen. Normalerweise arbeite sie nur mit Agenten zusammen und diese würden das wissen. Nur mit dieser Bewilligung könne sie das Öffnen des Containers veranlassen. Unsere neuerliche Intervention, dass wir den Container selber öffnen, da wir ihn auch selber versiegelt haben, nützt wenig. Wo ist der Zoll? Ausserhalb des Hafens. Wir zotteln ab.
Der Zoll ist ratlos. Ein Auto temporär verzollen, das rund um die Welt gefräst ist, einer Schweizerin gehört, in Panama verschifft wurde, in der Europäischen Union landet, um in die Schweiz zurückzukehren? Dieser Fall existiert in den Zollvorschriften von Spanien oder der EU nicht. Telefon von hier nach dort, von dort nach hier. Der Zöllner ist ratlos. Er fragt uns auf spanisch: „Wieso sind sie bei mir gelandet?“ Wir können diese Frage ebenso wenig beantworten, wie die Frage, was es für die ‚Einfuhr' von Sir James braucht. Eine letzte Möglichkeit fällt uns ein: Die USA hatte in ihrer Ratlosigkeit schlussendlich auch das ‚Carnet de Passage' abgestempelt, wieso sollte dies nicht auch in der EU des Esels Brücke sein? (Die USA hat das Abkommen ‚Carnet de Passage' nicht unterzeichnet!) Es funktioniert. Obwohl die EU dieses Abkommen auch nicht unterzeichnet hat, wird schnell ein Formular ausgefüllt, das uns erlaubt, mittels des ‚Carnet de Passage' Sir James zu entladen und zum Hafen heraus zu fahren. Da wir Europa nicht verlassen, wird im ‚Carnet de Passage' gleichzeitig der Import und Export nach der Europäischen Union (oder Spanien) bestätigt. Ist doch logisch. Oder nicht? Oder hat jemand gemeint, dass die Franzosen in Genf den Spaniern in Algeciras melden würden, dass Sir James die EU verlassen hat?
11:30 Uhr: wir sind wieder bei unserer Freundlichkeitshexe bei Maersk Sealand Import. Ja, sie werde sogleich die Rechnung ausstellen, so dass wir unser Fahrzeug im Hafen abholen könnten. Wir zahlen die 150 Euros und mit der quittierten Faktura in Händen machen wir einen erneuten Besuch bei Maersk Sealand Logistik im Hafen. Bereits dreimal sind wir an der Kiste von Sir James vorbeigeschlendert, ohne zu bemerken, dass es seine Kiste ist. Jetzt ist sie offen und ein paar Hafenarbeiter entfesseln ihn. Aber das Wetter in Spanien scheint ihm wenig zu passen. Der Motor springt nicht an. Die Batterie ist entladen. Sir James wird aus seiner Kiste geschoben und angeschoben. Alles nützt nichts. Der Ernstfall ‚Nummer Drei' wird in Bewegung gesetzt. Die dritte Batterie ist voll. Mit dem Überbrückungskabel wird die erste Batterie mit der dritten Batterie verbunden. Und siehe da, es funktioniert, der Motor springt an.
Nein, wir dürfen den Hafen nicht verlassen. Die Polizei kommt vorbei, nicht die Grenzpolizei, die richtige Polizei. Zu Dritt kommen sie. Die Polizei spricht kein englisch und wir nicht spanisch. Zu guter Letzt finden wir heraus, was die Polizei stört: Panama liegt neben Kolumbien und ist ein gefährliches Land. Und wir kommen von Panama. Wir haben auf dem ‚Bill of Lading' das Hotel Marbella mit der Telefonnummer 263'22'20 angegeben. Die Polizei hat in Marbella angerufen, ein Hotel unter dieser Telefonnummer existiert in Marbella nicht. Nur Schmuggler geben ein falsches Hotel an. Das ist verdächtig und eine Intervention der Polizei wert. Besonders, wenn die Herreise aus dem Nachbarstaat von Kolumbien erfolgt.
Irgendwo in meiner Hose habe ich doch noch eine Businesskarte des Hotels Marbella mit der Adresse von Maersk Espana SA auf der Hinterseite. Ich finde sie. Ah, wir erinnern uns, dieses Hotel diente uns als Absteige in Panama City für das Verschiffen von Sir James. Kunststück findet die spanische Polizei das Hotel Marbella in Marbella nicht, wenn es in Panama City zu suchen ist!
Nach diesem letzten Intermezzo in Algeciras dürfen wir den Hafen endlich verlassen und nordwärts fahren. In Almeria übermannt uns die Müdigkeit. In der Mitte der Stadt finden wir sogar ein Hotel. Aber wo soll Sir James übernachten? In den engen Gässchen gibt es keinen Platz haben und in den Tiefgaragen ist die Decke zu weit unten. Es bleibt nichts anderes übrig, als ihn vor das Hotel zu stellen. Die Polizei drücke bis 08:30 Uhr jeweils ein Auge zu und nach 08:30 Uhr komme der Polizist, der schreiben könne vorbei, meint der Concierge.