Reisebericht

Tagesbericht vom 03.06.2010

Um welche Zeit soll ich den Tagesbericht beginnen. Es ist Mitternacht, vom 2. auf den 3. Juni. Das gibt einen Nachtbericht und keinen Tagesbericht. Wer rechnen kann weiss: Wenn die Überfahrt von Trabzon nach Sochi 12 Stunden dauert, dann kommen wir um Mitternacht in Sochi an ... kämen wir, wenn die Zöllner in Sochi in der Nacht arbeiten würden. Das tun sie aber nicht. Das wird uns schnell klar, als die Princess Victoria um 24:00 Uhr wenige hundert Meter vor dem Hafen von Sochi die Motoren drosselt und still steht.

Klar: auch ein Schiff muss einmal schlafen … Dazu und weil es im Laderaum wo unser James vor den Tomaten steht unerträglich heiß wird, lässt der Kapitän die Laderampe öffnen und bis auf wenige Meter über Meer herunter. Was wenn jetzt ein Sturm aufkommt? Mir die Folgen eines Unwetters auszumalen bin ich zu müde. Wir vertreiben uns die Zeit.mit einem Schwatz hier, und einem Schwatz da. Unterdessen hat es sich auf dem Schiff bei den Passagieren aus Georgien, Syrien, der Türkei und Russland herumgesprochen, was für zwei seltsame Touristen mit an Bord sind. Dazwischen ergattern wir uns einen der wenigen Plastikstühle und machen auf dem offenen Deck ein Nickerchen. Richtig schlafen können wir vorerst nicht. Doch dann verzieht sich Bobo in die stickig heisse Kabine und legt sich aufs Bett. Ich lege mich im – wir nennen ihn Kinosaal – quer über drei mehr oder weniger bequeme Sitze und schlafen ein paar Stunden.
Und nun zum Tagesbericht:
Um 09:00 Uhr kommen die Zöllner an Bord. Ein Agent, der Englisch spricht hilft uns beim Ausfüllen der verschiedenen Formulare. Wir sind überzeugt, dass wir bei den Ersten sein werden, die aussteigen können, muss doch Sir James den hinter ihm stehenden Lastwagen Platz machen. Aber wir täuschen uns. Für uns gilt das gleiche Prozedere wir für die anderen Passagiere. Wir müssen ins Zollgebäude und durch die Passkontrolle. Danach müssen wir warten, bis alles Gepäck von den anderen Passagieren vom Zoll abgefertigt ist.

Um 11:00 Uhr darf Bobo Sir James an die frische Luft fahren. Und jetzt geht die Bürokratie erst richtig los. „Nein, ein 'Carnet de passage' braucht man nicht mehr“. Die Russen wollen ein eigenes Dokument ausstellen. Dafür brauchen Sie nebst der Chassisnummer auch die Motorennummer und eine 'Bodynummer'. Es stellt sich heraus, dass diese Nummer identisch mit der Chassisnummer sein muss. Die Motorennummer ist im Carnet de passage festgehalten. Das reicht nicht, sie muss nachgewiesen werden. Trotz genauem Vermerk in der Toyotabetriebsanleitung finden wir die Motorennummer aber nicht. Während ich mit der Taschenlampe versuche, die Nummer doch noch zu entdecken, schreibt Bobo die Formulare zum x-ten Mal neu. Die Zolldeklaration mit den Agaben für das Auto ist zu trennen von der Zolldeklaration für die anderen Güter. Einmal hat er im Formular einen Fehler korrigiert. Das ist nicht erlaubt. Das Formular muss neu geschrieben werden. Dann glaubt der Zöllner, Bobo habe an irgend einem Ort ein falsches Kreuz gemacht: also nochmals neu schreiben. Und als dann zu guter Letzt alle Angaben richtig zu sein scheinen muss Bobo die Formulare noch auf Formulare umschreiben, die nur in russischer Sprache abgefasst sind! Eine fast unverständlich Bürokratie! Sir James ahoi! Am Schluss stellt sich heraus, dass der Zöllner längst die Etikette erstellt hat, welche wie ein Eisenbahnticket kodiert ist und quasi als Freibillett in Russland dient. Jetzt hat er aber das Problem, dass er die Etikette falsch auf die Zolldeklaration klebt….

270 Kilometer in 48 Stunden hinter sich zu legen ohne einen Kilometer zu fahren, das gelingt nicht jedem. Um 13:00 Uhr haben wir es endlich geschafftt! Der Hafen von Sochi liegt hinter uns … und schon ist die erste russische Polizeikontrolle vor uns! Der Polizeigehilfe möchte unsere Pässe genau kontrollieren, doch der Chef winkt ab und lässt uns nach Krasnya Polyana, einem Vorort von Sochi ziehen. Hier werden im 2014 etliche Wettkämpfe anlässlich der Olympischen Winterspiele ausgetragen werden. Überall wird gebaut. Fertig ist bereits das Grand Hotel in Psekhako Ridge. Wir können dort nicht absteigen. Es findet gerade ein Kongress statt. Nun erholen wir uns von der 40- stündigen Grenzüberquerung Türkei-Russland im Radisson Lazurnaya Peak Hotel bei 30°C im Schatten mit Blick auf verschneite Berggipfel. Aber über unsere Englischkenntnisse im russischen Radisson erzählen wir dann morgen.

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