Tagesbericht vom 24.08.2010
Was soll ich zuerst schreiben - die gute oder die schlechte Nachricht? Die gute ist, es ist 12:00 Uhr, wir fahren Richtung unserem nächsten Ziel: Qufu. Die schlechte Nachricht ist zeitlich vor der guten eingetreten: Beim Wegfahren vom Übernachtungsplatz kommen wir gerade einmal fünf Meter weit, dann ist Sir James hoffnungslos im Matsch versoffen! Das sieht so aus:
Wie schon während der ganzen Nacht regnet es auch jetzt noch in Strömen. Guter Rat ist teuer. Wir begreifen schnell, dass wir die Sandbleche nicht unter die Pneus von Sir James schieben können. Dafür haben sich die Räder bereits zu tief eingegraben. Die Seilwinde von Sir James ist erstens defekt, zweitens sind wir skeptisch, ob eine Strassenlaterne dem Zug von Sir James standhalten würde. Was nun? Susanna geht zu Fuss los um bei der nahen Strassenbaustelle einen Trax zu organisieren, der uns herausziehen könnte. In der Zwischenzeit sammeln Bobo und ich herumliegende Ziegelsteine und unterlegen damit die Räder Sir James. Susannas Unterfangen ist nicht von Erfolg gekrönt: im Moment gibt es bei der Baustelle keine Arbeiter. Susanna startet einen neuen Versuch. Sie fragt einen Mann, der seinen kleinen Bus, ähnlich einem VW Bus, bei einem nahen Geschäft parkiert hat, ob er uns helfen könne. Er kommt, zieht seine Gummistiefel an und setzt sich kurzer Hand selbst ans Steuer von Sir James, gibt viel Gas, wir schieben von hinten ... und er schaft es beinahe; aber eben nur beinahe. Sir James bockt vor dem letzten Hindernis, dem zwanzig Zentimeter hohen Strassenbord aus Steinen, welches den Grünstreifen von der Strasse trennt. Der Mann telefoniert herum und organisiert einen Freund mit einem richtigen Bus. Sir James wird mit dem Seil seiner Seilwinde mit dem Bus verbunden. Der Busfahrer gibt mit Gefühl Gas, unser Helfer gibt in Sir James ganz viel Gas. Die Reifen drehen im Dreck, dampfen fast von der Reibung. Es riecht nach Gummi. Dreck fliegt in alle Richtungen, sogar bis aufs Dach von Sir James – und dann steht Sir James, etwas schmutziger als vorher auf der Strasse, als ob nichts gewesen wäre. Wir bedanken uns mit einem guten Trinkgeld bei unseren Helfern. Sie bedeuten uns, den Platz des Abenteuers so schnell wie möglich zu verlassen, da wir öffentlichen Grund beschädigt haben. Diesen Rat befolgen wir aus eigenem Interesse sofort und fahren, es ist unterdessen 12:00 Uhr nach Qufu.
In Qufu besichtigen wir die Tempelanlage zu Ehren des von den Chinesen noch heute verehrten Philosophen Konfuzius. Konfuzius ist hier 551 v. Chr. geboren und im Alter von 72 Jahren gestorben. Der Anfang dieser Gedenk- und Kultstätte geht auf das Jahr 478 v. Chr. zurück, wurde mehrfach umgebaut und erweitert, zerstört und wieder aufgebaut. Die Gebäude, die wir heute bestaunen, stammen zum grössten Teil aus dem 18. Jahrhundert. Wir schätzen die Erklärungen der Führerin, die uns von Susanna übersetzt werden.
Direkt neben der Tempelanlage befinden sich die sogenannten 'Confucius Mansions', die Residenz der Familie Kon (zu welcher Konfuzius gehörte). Die Residenz umfasst 463 Räume. 77 Nachfolgegenerationen von Konfuzius lebten bis 1937 in diesen Gebäuden.
Zur nachfolgenden Foto:
Dieses Bild an einer Mauer der Residenz soll die Leute im Sinne Konfuzius daran erinnern, nicht gierig zu sein. Abgebildet ist ein Fabeltier, welche alles gierig in sich hineinstopft was es finden kann. Bevor es auch noch die Sonne fressen konnte, soll dieses unersättliche Ungetüm gestorben sein.
Konfuzius selbst meint es auch gut mit uns. Bestimmt verdanken wir es ihm, dass während der Besichtigung keine Regentropfen auf unsere Häupter niedergingen. Vor einigen Tagen schrieb ich von der feuchten Luft, die uns zu schaffen macht. Jetzt ist es das regnerische Wetter, welches nicht besonders angenehm ist. Froh sind wir, dass es zumindest nicht kalt ist, auch in der Nacht nicht. Die Temperatur bewegt sich um die 23° Celsius.
Und schon neigt sich der Tag seinem Ende zu. Zeit zum Campieren.Wir haben von gestern gelernt: heute bleibt Sir James während der Nacht an Position Nord 35° 30' 54.1'' und Ost 116° 46' 53.1''schön brav auf der Strasse stehen. Erneut handelt es sich bei diesem Standort um einen neuen Strassenabschnitt, der noch nicht fertiggestellte Neubauten erschliesst und kaum befahren ist. Susanna schlägt ihr Zelt auf dem etwas erhöhten Gehsteig auf. So sollte auch sie sicher schlafen können. Bevor wir uns zur Ruhe legen, bekommen wir Besuch, sehr viel Besuch. Die Chinesen sind neugierige Leute. Viele von ihnen sehen das erste Mal Europäer. Und dann erst noch Europäer die mit einem seltsamen Auto unterwegs sind und mit Messer und Gabel essen. Unterdessen kann ich, anscheinend für die Gesprächspartner verständlich, auf Chinesisch den Satz sagen: „Ich spreche kein Chinesisch.“ Darauf lachen uns unsere Bewunderer an (nicht aus!) und unterhalten sich gegenseitig weiter über uns.
... so sieht das aus, wenn man aus der hinteren Tür von Sir James blickt ...