Reisebericht

Tagesbericht vom 29.09.2010

... und weil es niemand erwähnt, muss ich es tun: seit Tagen plagt mich eine Erkältung. Mein Husten hört sich an wie ein wieherndes Pferd, die Nase ist verstopft und nun will mir alles in den Kopf steigen. Mal sehen, ob chinesische Medizin so viel wert ist, wie wir im Westen glauben. Susanna kümmert sich um mein Wohlbefinden: ich müsse viel trinken, aber Kaffee sei nicht gut! Heute gibt es denn ausnahmsweise auch keinen Kaffee. Aber nicht wegen meiner Gesundheit. Das Filterpapier hat sich irgendwo versteckt. Ich mag weder suchen, noch aus der Kiste auf dem Dach Nachschub holen …
Bereits gestern Abend machte uns ein „Nachbar“ darauf aufmerksam, dass wir von seinem Wasseranschluss vor dem Haus Wasser beziehen könnten. Bobo hat darauf noch während ich meinem Körper etwas Ruhe zur Erholung gönnte, den Keramikfilter geputzt. Und nun tanken wir Wasser in den Bauch von Sir James. Für einmal scheint die Wasserqualität besser zu sein. Die Prozedur dauert nicht so lange.
In Kaiping, genau genommen in Zili, treffen wir um die Mittagszeit ein. Zili, ein kleines Dorf, wurde von der UNESCO zusammen mit anderen Dörfern der Umgebung in die World Heritage Liste wegen seiner besonderen Turmhäusern ('Dialou' genannt) aufgenommen. Dialous sind mehrstöckige Wohnhäuser, oft mit einem turmartigen Aufbau versehen. Diese Bauweise gab es in Kaiping schon lange. Es gab zahlreiche Bauten dieser Art zu verschiedenen Zwecken. Sie dienten mehreren Familien als Zufluchtsort vor Banditen, oder als befestigte Häuser für eine Grossfamilie. Sie sind aus Stein gebaut, die Aussenmauern sind speziell dick, die Eingangstüren aus Eisen. Das oberste Geschoss eignet sich sowohl als angenehmer Aufenthaltsort als auch als Beobachtungsplattform. Ende 19. anfangs 20. Jahrhunderts bauten Chinesen, welche sich als Arbeiter, als sogenannte 'Kulis', nach Australien, Nordamerika und andere Länder verkauft hatten, bei ihren Besuchen zu Hause diese Diaolous.

Beim Bau dieser Häuser, und das ist das Besondere, liessen sie fremdländische Architektur einfliessen..

Eine Sehenswürdigkeit, die eine Auszeichnung der Weltengemeinschaft verdient, können wir nicht ausmachen. Die Häuser sind nicht alt sind. Wären sie auch nur teilweise aus Holz konstruiert, wäre wohl kaum mehr etwas von diesen Häusern zu sehen. In China wird nur selten etwas renoviert, auch nicht diese Dialous. Schade. Eine besondere Frage beschäftigt Bobo. Er würde zu gerne wissen, ob der in der Schweiz tätige Fertighausanbieter sich für seine Bauten von China inspirieren liess. Zumindest der Name der Firma könnte darauf schliessen lassen, die Form der Häuser wohl weniger.
 
Es ist 16:30 Uhr. Über eine Dammstrasse erreichen wir die Insel Hailing. Bobo ist ungeduldig und möchte Sir James für die Nacht abstellen. Ich habe Verständnis dafür, zieht er es doch vor noch bei Tageslicht kochen zu können. Aber Susanna und ich würden gerne am Meer übernachten. Bobo lässt sich von unserem Wunsch überzeugen. Um 17:00 Uhr erreichen wir unseren Traumplatz an Position Nord 21° 34' 8.0'' und Ost 111° 49' 55.9''. Es handelt sich um eine Vorplatz eines momentan geschlossenen Hotels in Zhapo. Für CHF 5.- öffnet uns der Wachmann die einfache Absperrung des Geländes. Er bittet uns, genau in eines der eingezeichneten Felder auf dem sonst leeren Platz einzuparken. Warum wohl? Ordnung muss anscheinend sein. Schön ist es hier unter den Palmen, bei einem leichten Wind. Für unseren Tisch und Susannas Zelt gibt es zudem eine spezielle Plattform mit direktem Blick aufs nahe Meer. Wir geniessen den Abend.

Übrigens: Morgen wird es wieder Kaffee geben. Die Filtertüte ist wieder zum Vorschein gekommen!

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