Tagesbericht vom 13.06.2010
Die wollen uns wohl foppen, diese Kazaken. Vor uns liegt eine neu geteerte Strasse. Doch auf dem gelben Strassenschild steht „Umleitung“ .Auf der anderen Seite der Fahrbahn gibt es eine Einbahntafel. Sir James gehorcht und zweigt auf die Naturstrasse ab. Das muss ich im Bild festhalten. Wer weiss, was nachher noch kommt. Bei einem unweit dieser Signalisation abgestellten Strassenbaufahrzeug entdecke ich einen Arbeiter. Ich rufe ihm zu, ob wir tatsächlich nicht auf der geteerten Strasse fahren können. „Doch, doch ...“ bedeutet er mir! Und was haben wir gelernt? Was in Kazakhstan angeschrieben ist (sei es WiFi-Zone oder Umleitung) muss noch nach lange nicht der Wahrheit entsprechen!
Aber wir lernen noch weiter: manchmal gilt der Hinweis „Umleitung“ doch und wir müssen auf die Pisten entlang der im Bau befindlichen Strasse benutzen. Auf diesem steppig-sandigen Untergrund beträgt die Höchstgeschwindigkeit 30 Kilometer pro Stunde. Dabei schüttelt es uns und Sir James mächtig durch. Eine kurze Strecke dürfen wir wieder auf der frisch geteerten Strasse fahren. Dann bedeuten uns Arbeiter, dass wir wieder auf die Piste ausweichen müssten. Aber die Abfahrt von der Strasse auf die Piste führt durch derart hohen Sand, dass wir der Sache nicht trauen. Wir wollen nicht stecken bleiben, wie bereits vor sechs Jahren an ähnlicher Stelle. Die Strassenarbeiter verweisen mich an den Chef („den mit der Mütze, müsse ich um Erlaubnis fragen, um trotz Umleitung die geteerte Strasse benützen zu dürfen.“). Ich erkläre dem Chef die Situation. Er versteht unser Anliegen. Wir dürfen die nigelnagelneue Strasse – zumindest ein Stück weit – benutzen. Dann ist aber endgültig fertig mit Strasse. Der Sand hat uns wieder. Und dieses Mal für eine weite Strecke. Wir kommen an verschiedenen Stellen vorbei, die uns von unserer letzten Russlandreise noch bekannt sind. Das einsame Hotel ist jetzt nicht mehr ganz so einsam und hat sich zu einer Imbissstube mutiert. Dafür steht daneben ein neues Hotel. Dort kaufe ich ein Brot, obwohl sie eigentlich keines verkaufen wollen.
Heute haben sich meine Russischkenntnisse wieder einmal gelohnt. Ich bin stolz auf mich. Dies schreibe ich in den Tagesbericht, weil ich sonst von niemandem für meine Kommunikationskünste gelobt werde …
Ich aber lobe Bobo und Sir James mächtig. Beide haben die heutige, nicht einfache Fahrt, über Löcher, Stein und Sand, bravurös gemeistert. Zu Ehren von Sir James Geburtstag, er wird an Position Nord 47° 36' 10.2'' und Ost 61° 29' 52.0'' 208'000 Kilometer alt, bleiben wir 200 Meter neben der Strasse in der Steppe stehen und lassen ihn und uns hier die Nacht verbringen.
Bemerkung zum Strassenzustand: Wie wir unserem Reisebericht von 2004 und dem Track-log von 2004 entnehmen, hat sich beim Strassenbau in der Zwischenzeit nicht viel getan. Zwar wird heftig gebaut, doch sie scheinen mit der Erneuerung der Strasse nicht recht voran zu kommen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass hier nur in den Sommermonaten gebaut werden kann. Froh sind wir darüber, dass wir herrliches Sommerwetter für diese Passage erwischt haben. Würde es regnen, wäre ein Durchkommen sehr schwierig.