Tagesbericht vom 11.07.2004
Wir schlafen tatsächlich gut. Der Hirt, der schon frühmorgens seine Kuhherde an uns vorbeitreibt, schaut diskret weg und auch die Kühe halten gebührend Abstand. Wir, das heisst auch ich, stehen früh auf. Zur Belohnung gibt es Spiegeleier.
Wir nähern uns Almaty, der ehemaligen Hauptstadt von Kasachstan. (Seit 1998 ist Astana, im Nordosten von Kasachstan die Hauptstadt.) Eigentlich sind es nur noch 250 Kilometer bis nach Almaty. Aber ob wir diese Strecke heute noch schaffen?
Wieder einmal ist ein kilometerlanger Strassenabschnitt im Bau. Wir müssen auf einer provisorischen Strasse fahren und die ist derart holperig, dass wir nur mit zehn bis zwanzig Kilometer die Stunde vorwärts kommen! Je mehr wir uns Almaty nähern, desto höher ist das Verkehrsaufkommen. Endlich gegen 14:00 Uhr erreichen wir Almaty. Almaty zählt 1.5 Mio. Einwohner und ist eine moderne Stadt mit unendlich breiten Strassen. Die Autofahrer fahren wie die Verrückten. Sie überholen rechts und links, biegen von der äusserst rechten Spur in die links abbiegende Strasse, stoppen abrupt oder halten am Rotlicht überhaupt nicht an. Das wird auch etlichen Autofahrern zum Verhängnis. Ich bin froh, ist heute Bobos Fahrtag. Ich konzentriere mich ganz auf das Lesen des rudimentären Stadtplans von Lonely Planet. Und tatsächlich, wir finden das als modern angepriesene Shoppingcenter von Almaty auf Anhieb. Vorausblickend haben wir noch während der Fahrt einen Wunschzettel als Einkaufszettel aufgeschrieben. Wir können es selbst kaum glauben. Ausser den Stickers für Sir James finden wir alles: Eierbecher (äusserst unentbehrlich!), Balsamico Essig, Parmaschinken und ... und ... und ... Für diese Importprodukte müssen wir auch entsprechend viel bezahlen. Wir könnten noch viel mehr kaufen. Mode und Schmuck aller namhaften internationalen Firmen werden angeboten. In der Mitte des Centers könnten wir auf einem kleinen Eisfeld sogar Schlittschuh laufen! Wir sind überzeugt, dass in diesem kleinen Einkaufsparadies nur die oberste Schicht einkaufen geht. Das gemeine Volk tätigt nach wie vor seine Einkäufe auf den riesigen zum Teil offenen, zum Teil geschlossenen Märkten.
Auch Sir James hat noch Wünsche. Auch diese können wir fast alle erfüllen. Bei der Weiterfahrt in der Stadt stossen wir zufällig auf d i e Autozubehörstrasse. Wir kaufen zwei Filter für die Dieselpumpe und einen Wagenheber für 3,2 Tonnen. Ersatzschläuche finden wir leider keine. Da Sonntag ist, haben nicht alle Geschäfte offen. Nun aber nichts wie aus der Stadt.
Die uns wichtig erscheinenden Sehenswürdigkeiten fotografieren wir im Vorbeifahren. Das ‚White House' (Präsidentenpalast), das Museum of Art, und eine Moschee. Doch halt, was ist das? Eine richtige Toyota Garage. Da können wir nicht einfach vorbeifahren. Diese Garage, die sowohl Neuwagen verkauft als auch Servicarbeiten ausführt hat sogar heute Sonntag offen. Dank der Übersetzungshilfe eines Mitarbeiters wird Sir James geschmiert und der eine Pneu wird ausgewuchtet – alles für umgerechnet 14 CHF. Ersatzschläuche für unsere Pneus könnten sie uns morgen besorgen. Aber morgen sind wir schon über alle Steppen.
Zufrieden über soviel Glück verlassen wir gegen Abend die Stadt. Es dauert zwar fast zwei volle Stunden, bis wir die richtige Strasse in Richtung Astana finden, aber wir schaffen es.
Und nun sind wir schon wieder in fast unbewohntem Gebiet, etwa zwanzig Kilometer ausserhalb der Stadt an Position Nord 43° 31' 28“ und Ost 76° 38' 12.1“ und geniessen die Spaghetti Bolognese an einer rassigen Sauce mit gehacktem Rindfleisch vom Shoppingcenter.