Was steht heute auf dem Programm? Freie Fahrt, soweit dies wegen der Polizeikontrollen möglich ist, in Richtung Mount Elbrus, dem höchsten Berg von Europa. Sonst erwarten wir vom heutigen Tag nicht viel.
Das Wetter ist herrlich, und so machen wir uns auf die Räder. In Maikop, einer der grösseren Provinzstädte auf unserer heutigen Tour, suchen wir eine Bank oder einen Bankomaten, um auf unsere Visa-Karte Rubel zu beziehen, damit unser und der Nachschub für Sir James zumindest finanziell gesichert ist. Wir durchfahren die Stadt kreuz und quer und stossen auf eine Bank, die sogar den Visa-Kleber am Eingang hat. Trotz normaler Öffnungszeiten ist die Tür zur Bank geschlossen. Wir läuten an der Gegensprechanlage. Eine Frau kommt zur Tür und bedeutet uns, dass wir ein paar Minuten warten müssten, da gerade ein Geldtransporter angekommen sei. Das Warten nützt uns nichts, denn als wir zum Schalter können, erklärt uns die Angestellte, dass ihr System für Geldbezug nicht funktioniere. Приямо, приямо, was bedeutet „alles geradeaus“, dort gebe es bei der Bank Russia einen Bankomaten. Stimmt. Danach kaufen wir für Sir James noch Diesel.
Was wir nicht realisieren ist, dass wir bei der Stadtausfahrt in einen neuen Oblast (Staat) kommen, nämlich in den Oblast von Karachay Cherkessia. Aber die Polizei realisiert das sehr wohl. Nach langem Hin und Her, dem Zeigen aller Ausweise, die wir haben, und nachdem sie uns wieder einmal im Computer registrieren und danach in einem Buch eintragen, dürfen wir weiter fahren. Wir kommen noch zu weiteren Polizeiposten. Fast bei jedem müssen wir anhalten und werden gefragt, von wo wir kommen, wohin wir wollen, das Übliche eben. Nur bei einer Kontrolle meint der Beamte, dies sei aber nicht der Weg nach Sibirien. Wir können ihm mit Zeichensprache davon überzeugen, dass wir nicht direkt nach Sibirien fahren, sondern auf Umwegen. Wir merken ihm an, dass er denkt, wir spinnen. Vielleicht hat er ja recht.
Das Pümpeli, das Dieselöl vom hinteren Tank während der Fahrt in den vorderen pumpen sollte, will seit Tagen nicht mehr so richtig. Wir kennen das Problem von unserer Weltreise. Damals war der Filter vor der Pumpe verstopft. Vorsichtshalber haben wir daher einen Ersatzfilter mitgenommen. Ich sehe Bobo schon unter dem Wagen liegen und den Filter auswechseln. Aber was gibt es da auf einem Parkplatz an der Strasse? Eine Rampe für Autos, um den Ölwechsel durchzuführen. Solche Rampen haben wir schon in der Ukraine angetroffen, und hie und da auch in Russland. Aber diese hier kommt uns wie bestellt. Bobo muss nicht einmal unter das Auto kriechen, und da wir Plastikhandschuhe dabei haben, bekommt er auch keine schmutzigen Hände. ... und jetzt funktioniert der Dieseltransport von einem Tank in den anderen wieder tadellos.
Langsam kommen wir in gebirgige Gegend. Sir James windet sich bis auf 2057 Meter über Meer. Damit es ihm nicht schwindlig wird, und er nicht sieht, wann der Strassenbelag teerähnlich und wann nur steinig ist, kommt dichter Nebel auf. Zudem regnet es schwach. Wie sollen wir da einen Standplatz für die Nacht finden. Daher fährt Bobo und fährt und fährt ...
Aber da, ein kleiner Weg führt hinunter zu einem Bach. Auf der anderen Seite des Bachs geht der Weg weiter – die Brücke ist weggeschwemmt. Und hier stehen wir nun an Position Nord 43° 47' 19.4“ und Ost 42° 18' 0.6“ und verbringen die Nacht. Bobo versucht noch, weil das das letzte Mal so prächtig funktionierte, Wasser aus dem Fluss zu pumpen. Aber die Pumpe vermag die Höhendifferenz zwischen Wasserspiegel und Standplatz nicht zu überwinden.
Mein Versuch, meiner Mutter ein SMS zu senden schlägt ebenfalls fehl.. Das erste Mal auf dieser Reise haben wir mit dem Handy keinen Kontakt. Aber notfalls hätten wir immer noch das Satellitentelefon. Das beruhigt. Darum: Gute Nacht.