Tagesbericht vom 03.07.2004
Wie Ihr sicher alle wisst, fällt es besonders Frauen schwer, sich beim Erzählen kurz zu fassen. Wir haben heute so viel erlebt, dass ich beim besten Willen nicht weiss, wo ich den Bericht kürzen könnte. Ich entscheide mich darauf, wirklich nur das Wesentlichste zu beschreiben. Ich werde nicht ausführen, wie stark es am Morgen regnete, wie wir unter dem Regenschirm auf dem freien Feld unsere Toilette erledigten ... Das alles auch noch zu erzählen würde zu lange dauern.
Bobo fährt, wie ich gestern, auf dem löchrigen Band, das sich ‚Strasse' nennt. Im Unterschied zu gestern giesst es wie aus Kübeln. Das Thermometer zeigt gerade noch 14° Celsius und ein starker Wind bläst über die offene, flache Steppe. Ein Kasache (oder wie immer sich auch die Bürger von Kasachstan nennen) muss am Wagen ein Rad wechseln. Er macht dies ... in den Badehosen! Der Arme! Ein blauer Ford Transit überholt uns und stoppt. Die Bewohner dieses Gefährts sind zwei deutsche Männer. Wir tauschen ein paar Worte. Wie die Polizei, fragen wir uns gegenseitig nach dem ‚Woher' und ‚Wohin'. Sie wollen nach Kirgistan und sind erst vor zehn Tagen in Deutschland weggefahren. Wie sie uns sagen, sei diese Hauptverbindungsstrasse, die M32, die schlechteste Strasse von ganz Kasachstan. Wir werden ja sehen wie dies die nächsten 2000 Kilometer sein wird.
Nun sind wir an der Reihe. Sir James hat einen Plattfuss. Zum Glück hat es unterdessen aufgehört zu regnen, so dass wir auf den Trick mit der Badehose verzichten können. Aber der Wind geht uns durch Mark und Bein.
Geschafft. Nun wartet aber ein neues Problem auf uns: Wir müsse in Aktöbe den defekten Reifen flicken lassen. Die nächst grössere Stadt nach Aktöbe ist Shymkent und ist 1500 Kilometer entfernt. Die Distanzen zwischen den einzelnen Städten in diesem neunt grössten Land der Erde sind enorm. Das Risiko, wegen den Löchern in der Strasse einen Platten einzufangen ist gross.
Nun kommt Sir James Seilwinde zum Einsatz. Wir helfen drei jungen Männern, die mit ihrem Mercedes neben der Strasse gestrandet sind, aus ihrer misslichen Lage.
Endlich sind wir gegen 16:00 Uhr in Aktöbe. Vor einem Einkaufsmarkt parken wir um einkaufen zu gehen. Die Insassen des neben uns geparkten Autos bestaunen uns. Ich nehme die Gelegenheit wahr und frage mit meinen bescheidenen Russischkenntnissen, wo wir den Pneu flicken lassen könnten. Der Fahrer des Wagens führt uns kurzentschlossen zu einer nahen Pneuwerkstatt.
Dort kommt es bald zu einer kleinen Menschenansammlung: ein Student, der Englisch spricht, eine Kasachin, die hier Englisch und Französisch unterrichtet, ein sehr sympathischer, gehörloser Mann, der Chef der Garage, seine Frau und Tochter und so weiter und so fort. Alle sind sie sehr freundlich, wissbegierig und hilfsbereit. Der Schlauch ist geflickt, das Rad gewechselt und wir dürfen dafür nicht einmal bezahlen! Das ist wirklich grosszügig. Wir verabschieden uns von der Gruppe wie von guten Freunden.
Wir fahren zurück zum Bazar. Leider können wir nicht lange herumstöbern. Es ist 18:30 Uhr und die Geschäfte schliessen, respektive die Besitzer breiten grosse Tücher über ihre Waren aus. Das Frischfleisch ist bereits weggeräumt. Wir fahren zur Stadt hinaus und übernachten an Position Nord 50° 17' 26.9“ und Ost 57° 25' 53.9“.