Tagesbericht vom 04.07.2004
Heute ist Sonntag. Am Sonntag soll man ruhen. Aber das können wir nicht, weshalb wir nur lange schlafen. Das Wetter ist wieder schön. 19° Celsius zeigt unser Thermometer mit Temperaturfühler an den Sandblechen an. Der Wind bläst über die unendlichen Ebene. Im Norden am Rande der Stadt Aktöbe sind ein paar Hügel erkennbar. Wir beschliessen nach dem Kaffee nochmals in die Stadt zu fahren, um unser Proviant mit Frischwaren zu ergänzen.
Die Markthallen von Aktöbe sind wirklich eine Sensation. Beim Frischfleisch decken wir uns wiedereinmal mit T-Bones vom Rind ein. Beim Fischstand könnten wir kiloweise Kaviar einkaufen. Er wird hier in Plastiksäcken angeboten. Da wir die verschiedenen Sorten jedoch nicht kennen, kaufen wir nur eine Dose Kaviar vom Stör zu 100 Gramm und ein Stück frischen Fisch. Natürlich müssen wir auch noch die Weinvorräte aufstocken, Wodka ist noch genügend im Eisschrank.
Gegen 12:00 Uhr verlassen wir den Markt. Dank der Uhr im Markt haben wir die Gewissheit, dass wir unsere Uhren wieder eine Stunde nach vorne drehen dürfen. Wir sind bereits sechs Stunden von Greenwich entfernt. Fast den vierten Teil einer Erdumdrehung haben wir dank Sommerzeit und Zeitzonen zeitmässig bereits geschafft. Auf unserem Zick-Zack-Weg nach Osten haben wir 13'000 Kilometer in 46 Tagen zurückgelegt.
Die Autobahn von Aktöbe nach Shymkent ist im Bau. Momentan fahren wir auf der provisorischen M-32 neben der Autobahn. Nicht schnell. Aber ganz zügig. So schaffen wir bis zu dreissig Kilometer in der Stunde. Wir werden also noch lange von unserer Reise nach Shymkent berichten können. Zum Glück gibt es neben den Holpergeräuschen über die Schottergesteine auch noch die Musik aus den Lautsprechern. Chris Barber ist für Ice Cream, Strauss eher für das Künstlerleben und Dvorak für die ungarischen Tänze. Auch der kleine Teddybär von Johnny Hill, unserem Golfkollegen aus Lipperswil, bleibt nicht aus.
Etwa 100 Kilometer nach Aktöbe erreichen wir die Chromstadt Chromtau. Riesige von Menschenhand geschaffene Abbauberge kündigen das Bergbaugebiet von weitem an. In mitten der unendlichen Weite eine Stadt zum Zwecke Chrom abzubauen.
Sir James hat für knapp 10 Franken Diesel verbraucht, als wir unseren Tagesendpunkt an Position Nord 50° 5' 16.3“ und Ost 59° 31' 52.9“ erreichen. Kasachstan ist das Land, das den absolut tiefsten Dieselpreis verrechnet: rund 30 Rappen der Liter! Dort, wo Sir James heute steht, riecht es fantastisch nach Gewürzen. Ich weiss nicht welches Kraut das ist, aber es duftet herrlich in der leichten Brise am Abend.
Ein Geräusch lässt mich aufblicken. Es ist ein Kasache, hoch zu Pferd. Wo der wohl her kommt? Wahrscheinlich ist er der Hirte der nahen Kuhherde. Eigentlich wollte er vorbeireiten, aber als er sieht, dass ich ihn bemerke, kommt er auf uns zu. Liseli versucht, ihn auf russisch anzusprechen. Aber er scheint sie nicht zu verstehen. Er fragt uns mit Zeichensprache, ob wir Zigaretten hätten. Als wir verneinen, verschwindet er so leise, wie er gekommen ist.
Die Vögel in den Baumwipfeln vollführen besonders während der Dämmerung einen grossen Lärm. Aber als die Nacht einbricht, wird es ruhig und auch wir legen uns schlafen.