Tagesbericht vom 15.05.2002
Liseli stinkt's ganz furchtbar. Wieso, weil es so langweilig ist. In Durban haben wir Sir James eingeschifft. Damals hat P&O Nedlloyd gesagt die ‚Cape Scott' wird am 13-ten in Bombai sein. Wir haben damit gerechnet, dass wir Sir James heute oder morgen wieder haben. Und was lesen wir im Internet über die ‚Cape Scott': sie geht morgen den 16-ten in Jebel Ali an Land, in den Vereinigten Arabischen Emiraten anstatt in Indien! Von Jebel Ali nach Bombay braucht sie dann... dies ist der Grund wieso es Liseli stinkt (sie meint zwar ‚stinken' sei der falsche Ausdruck: es nerve sie, es sei lästig, es sei mühsam... also: es stinkt ihr).
Dann ist da noch dieser Parab (so nennt sich unser Agent, der uns hilft, Sir James aus dem Container zu befreien, falls er eintreffen sollte). Er kommt ins Hotel. Und jetzt sitzt er bei uns im Zimmer - und trinkt unseren Whisky - und isst unsere Pistazien – und erzählt uns Geschichten – und erzählt und erzählt, bis er merkt, dass wir keine grosse Lust verspüren, ihn zum Nachtessen einzuladen. Also geht er wieder. Er hat den Vertrag zum unterschreiben gebracht ... für die obligatorische Haftpflichtversicherung von Sir James.
Dann ist da noch das lästige Hotelfräulein, die sich als Weltmeisterin im ‚Customer Service' fühlt (frei nach Ghandi, der gesagt haben soll, dass ohne Kunden keine Geschäfte gemacht werden können). Sie bittet uns zu sich an den Schalter (was wir dort machen sollen, ist uns auch nicht klar). Sie meint wir müssen uns auschecken und dann wiederum einchecken. Also gehen wir, nachdem Parab sich zurückgezogen hat, an den ‚Customer Service Desk' des Taj Mahal Hotels. Doch unser Fräulein ist nicht da. Dafür ein paar Herren mit schwarzem Livrée. „Can I help you“ redet einer dieser Herren uns freundlich an. Ich versuche ihm zu erklären, dass wir wegen irgendetwas, das wir selber nicht verstehen, an den Kundenschalter gebeten wurden. Er schaut in den Computer und fragt, ob es wegen der Aufenthaltsverlängerung sei. Ja, sage ich ihm, das Fräulein habe uns gesagt, wir müssten uns auschecken und dann wieder einchecken. „We made it already, there is nothing to do for you“. Es ist zum verrückt werden. Indien, nagt an unseren Nerven. Was hat dieses Intermezzo wieder zu bedeuten?
Was wir den ganzen Tag gemacht haben? Aha, das wollt ihr auch noch wissen. Wir verlassen am Morgen das Hotel mit dem Ziel, Strassenkarten von Indien in einem vernünftigen Massstab und mit Koordinaten zu kaufen. Solche Karten soll es im ‚Crossword' geben (frei nach Lonely Planet). Da der Taxichauffeur sowieso nicht weiss, wo dieser Buchladen ist, lassen wir uns quer durch Mumbai zum Mahalaxmi Tempel fahren. Diese Sehenswürdigkeit befindet sich gemäss Stadtplan unweit unseres gesuchten Bookshops. Und da wir nun schon beim Tempel sind, schauen wir uns diesen an, d.h. wir gehen soweit, wie wir mit Schuhen an den Füssen gehen dürfen. Der Taxichauffeur warnt uns nämlich: „Zieht die Schuhe nicht aus, denn diese werden oft gestohlen“ und „mit Schuhen darf man den Tempel nicht betreten“.
Nach dem Tempelbesuch, suchen wir vergeblich nach ‚Crossword'. Was eigentlich auch klar ist, da ‚Crossword' doch ‚rätseln' bedeutet. Wir finden jedoch ganz schöne Einkaufszentren, so dass Liseli endlich ‚Lädelen' gehen könnte. Doch sie ist nicht in Kauflust.
Endlich stehen wir vor dem Haus angeschrieben mit ‚Crossword'. Wir finden sogar Karten von 4 indischen Provinzen, die unseren Qualitätsvorstellungen entsprechen. Liseli kann es nicht lassen, nach digitalen Karten zu fragen (einen digitalen Reiseführer haben wir im Buchladen gefunden – ohne Karten). Irgendwo am Marine Drive soll es einen Softwarehersteller geben. Mal schauen!
Wir besteigen ein Taxi und geben dem Chauffeur den Zettel mit der Adresse. Ungläubig schaut er uns an. Ich schliesse darauf, dass er nicht lesen kann. „Marine Drive, near the bridge crossing the street“. Ungläubig schaut er uns an. Ich schliesse darauf, dass er kein Englisch versteht. „Marine Drive, Marine Drive“ wiederhole ich. Wir haben Glück, er nickt und fährt ab. Aber in die andere Richtung. Liseli meint, wir fahren doch falsch. „Wart es ab, vielleicht muss er eine Einbahnstrasse umfahren“ antworte ich ihr. Und so ist es auch, bei der nächsten Kreuzung dreht er wieder ab, und wir fahren in Richtung ‚Marine Drive'.
Irgendwo auf dem ‚Marine Drive' steigen wir aus, und setzen unser tägliches Gehtraining fort. (Joggen ist nicht nötig, denn wir schwitzen auch so genug.) Den besagten Informatikladen versuchen wir gar nicht erst zu finden. Schliesslich haben wir die WWW-Adresse, die auf der Verpackung des digitalen Reiseführers stand. Liseli hat doch heute früh noch den Lonely Planet studiert und herausgefunden, dass das Altstadtquartier eine farbenfrohe Abwechslung zum übrigen Mumbai darstellt. Also spazieren wir durch die Altstadt in Richtung Victoria Terminus (VT, wie ihn die Insider nennen. Ich kenne diese Abkürzung auch, sie hat jedoch bei mir eine andere Bedeutung!). Eine Abwechslung zum übrigen Mumbai ist dieser Stadtteil bestimmt. Ob er allerdings ausländischen Touristen zu empfehlen ist, möchte ich offen lassen. Mehr als von der angekündigten Farbenpracht sind wir allerdings von der ‚Geruchspracht' begeistert. Und dann ist da noch dieser schlafende Bettler, der, weil es so warm ist, seine Beinprothese neben sich hingelegt hat... Zum Glück treffen wir irgendwann auf ein besseres Quartier (u.a. mit Goldschmieden). Wir kämpfen uns langsam aber sicher bis zum Bahnhof durch. Endlich finden wir einen Getränkestand, der uns zusagt und geniessen ein Coca Cola. Jetzt nur noch ins Internetkaffee (7 neue Mails – danke den Absendern, das bringt Abwechslung in unseren Tag) und dann ins Hotel ( Fortsetzung siehe oben).
Anmerkung von mir (Liseli): Die ewige und ungewisse Warterei auf Sir James macht mich wirklich nervös. Wir können an der Situation nichts ändern. Wir können nur warten und warten. Wir sind hier fremd in einer riesigen asiatischen Stadt (ca. 10 Millionen Einwohner), mit grossem Verkehrsaufkommen (lies Luftverschmutzung) und zur Zeit tropischem Klima. Ich glaube, nur wer je schon in solchen Städten wie Mumbai war, kann uns einigermassen nachfühlen.