Tagesbericht vom 22.05.2002
Hurra, de James isch da! Nach einem gewaltigen Marathon steht Sir James schlicht und gediegen in der Garageneinfahrt des Taj Mahal Hotels. Gut haben wir uns gestern entschieden, unseren Agenten zu begleiten: die Beamten haben uns vom Morgen bis zum Abend immer wieder getröstet. „Yes, you will get your car within the day“. Dann noch eine Unterschrift vom Chef des Zolls (10 Taximinuten hin, 10 Taximinuten her), dann noch ein Schmiergeld für die Motorennummer, die irgendwo auf dem Motor stehen soll. Aber da Sir James – solange er nicht verzollt ist - den Container nicht verlassen darf, ist diese im Dunkeln kaum einsehbar. Die Chassisnummer (ist es ein ‚B' oder eine ‚13'?) haben wir ohne Schmiergeld hingekriegt.
Das Erlebnis ist natürlich einmalig: Ein neuer Hafen 80 km weit von Bombay entfernt, Nhava Sheva nennt er sich. Ein Gelände, das für die nächsten 100 Jahre genügend Raum bieten soll für den Ausbau der Infrastruktur eines modernen Hafens. Auf diesem Gelände verstreut ein paar Siedlungen – erst 10 Jahre alt aber bereits verlottert und abbruchreif – zwischen den Siedlungen Strassen oder solche Dinge, die einmal eine Strasse werden wollen. Der Containerhafen liegt etwa 20 Kilometer vom Containerfreilager entfernt, dieser wiederum ist 10 Kilometer vom Zollgebäude entfernt, welches administriert wird von der Zolldirektion, welche wiederum 5 Kilometer neben dem Zollgebäude liegt. Dazwischen ist jeweils Niemandsland, auf indisch ‚Viel Geruch'.‚‚Non Stop Nonsens' im Quadrat', kann ich da nur sagen!
Und im Zollgebäude, da stapeln sich die Berge: Also in der einen Ecke des 20x30 Meter grossen Raums, da können die Beamten nicht mehr sitzen, da der in die Ecke geworfene Aktenberg, dies schlicht und einfach verunmöglicht. Der Beamte mit dem Büroplatz in der Nähe der Ecke sitzt deshalb halb auf dem Papierberg, halb auf einem Bürostuhl und schriebt aus einem Papierstapel Dinge in ein grosses Buch. Es hat insgesamt sieben solche Beamte die von einem Papierstapel in einen neuen Papierstapel kopieren und dann den alten Papierstapel stempeln, diesen fein säuberlich zusammenschnüren und dann neben das Pult stellen. Wahrscheinlich macht der nächste Beamte dann die Schnur wieder auf, rollt sie fein säuberlich zusammen – für die Arbeit am nächsten Tag – irgendwann dann wird der ganze Papierstapel nicht mehr benötigt und in die oben erwähnte Ecke des grossen Büroraumes geworfen. Putzpersonal scheint es keines zu geben, Staub und Spinnweben sind allgegenwärtig. Auch unsere Akten werden zum x-ten mal abgeschrieben: das geht so: Unser Agent hat auf der Grundlage des Carnet de Passage und des Reisepasses einen Antrag geschrieben mit allen Daten des Autos und des Besitzers. Dieser Antrag wird jetzt neu umgesetzt in ein Dokument für den Zoll und die Hafenbehörde. Mit dem Zolldokument geht's in Begleitung mit einem Zöllner zur Hafenbehörde. Diese gibt die Einwilligung den Container zu öffnen, falls er gefunden wird. Er wird zum Glück gefunden (ich weiss nicht wie viel Tausend Container hier aufeinandergestapelt sind). Der Zollbeamte darf nun überprüfen, ob im Container auch unser Sir James ist. Nach diesem Schritt geht es zurück zum Zoll, der einen Antrag an die Zolldirektion stellt, Sir James identifiziert zu haben und zum Import freizugeben. Mit diesem Papier fahren wir zur Zolldirektion, um die Unterschrift einzuholen...
Irgendwann um 17:00 Uhr Ortszeit dürfen wir dann endlich – noch bevor der Hafen sein Pforten schliesst – mit Sir James nach Mumbai fahren. Schön hinter unserem Taxifahrer her, den selbst hätten wir das Taj Mahal bei einbrechender Nacht kaum gefunden. In der Hotelbar begiessen wir alle zusammen den erfolgreichen Tag. Unser Agent und seine 3 Angestellten haben sich einen Drink verdient. Man glaubt es kaum, 4 Mann waren einen ganzen Tag damit beschäftigt, mit irgendeinem Dokument irgendeiner Person nachzurennen.
Abgesehen davon: Sir James beachtet man kaum in den Strassen von Mumbai: er unterscheidet sich so wenig von den vielen kleinen, gelb-schwarzen Taxis und von den Rikschas und von... Wie gesagt, er fällt im Strassenbild von Mumbai überhaupt nicht auf... und so muss er mit der Garageneinfahrt des Hotels vorlieb nehmen, denn dort wird um Mitternacht die Pforte geschlossen und niemand kann ihn sehen!