Reisebericht

Tagesbericht vom 16.04.2002

Jetzt gibt es zuerst einmal einen Whisky! Ob wir ihn verdient haben? Das frage ich mich auch, aber wir sind todmüde, obwohl es erst 18:00 Uhr ist, denn heute war der Teufel los. Wie hiess das Märchen: ‚Des Teufels drei goldene Haare'. Auf jeden Fall heisst es: ‚Aller gute Dinge sind drei'. Und drei einmalige Erlebnisse waren es, die wir heute erleben durften.

Der Morgen begann eigentlich ganz normal. Nach einer ziemlich feuchten Nacht, sind wir beim ersten Sonnenstrahl aufgestanden. Die Sonne versteckt sich zwar hinter den Wolken, aber es ist trotzdem hell. Bereits um sieben Uhr fahren wir dann los. Über die Khwaibrücke (nicht zu verwechseln mit dem weltberühmten ‚River Kwai') geht es erst mal zum nördlichen Posten des ,Moremi Wildlife Reserve'. „How long do we have to reach the Savuti Camp” fragen wir den Kontrollposten. “5 hours” meint er. Wir erkundigen uns auch über den Strassenzustand: „No problem for your car“ meint der Postenwart weiter.

Und so fahren wir frohen Mutes weiter. An Dreck haben wir uns bereits gewöhnt, aber an richtige Sümpfe mit Wasserlöchern, das ist ein neues Erlebnis. Auf beiden Seiten spritzt es an Sir James hoch. Die Scheibenwischer laufen, damit wir die Piste, resp. jeweils das andere Ende des Tümpels sehen können. Ja und dann kommt, was kommen muss: Sir James steckt im tiefen Morast. Kein Zentimeter vorwärts, kein Zentimeter rückwärts will er.

Seilwinde? Nein, das geht nicht. Es gibt keinen Baum im vorderen Halbkreis, der nicht tiefer in den Morast führen würde. Es bleibt nur der Weg zurück. Sandbleche? Ja, das könnte gehen. Also werden zwei Sandbleche, welche an der Seite von Sir James angebracht sind demontiert und unter die Räder gehämmert, nachdem wir mit der Schaufel einen Freiraum geschaffen haben (hat jemand von euch einmal Morast geschaufelt? das gibt Mäuse!). Sir James wird neu gestartet und fast wäre es gegangen. Aber im letzten Moment ist er seitwärts wieder in den Dreck gerutscht. Da heisst es nur: Übung wiederholen. Allerdings sind die Sandbleche jetzt unter dem Auto und ziemlich schwer, da mit Morast bedeckt. Zum Glück hören wir ein Motorengebrumm: einige Eingeborene nähern sich mit einem andern Toyota. Ein bisschen schieben (7 Mann) und Sir James ist befreit. 100 Pula Trinkgeld und weg sind sie wieder. Bei uns dauert die Übung noch ein bisschen an, denn schlussendlich muss das Material wieder eingesammelt, geputzt und eingeräumt werden.
Nach rund 1 ½ Stunden Intermezzo sind wir wieder auf der Piste und der Dreck spritz wieder links und rechts an Sir James hoch. Doch die Freude dauert nicht lange. Irgendwie sind wir auf ein Nebengeleise geraten. Wir kehren auf dem engen Pistenweg um. Das Wendemanöver ist nicht ganz einfach, stehen doch links und rechts Büsche und Bäume. Vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts, bumm. Also diesen Baum habe ich wirklich nicht gesehen. Wenn die Sicht nach hinten bei Sir James doch nur nicht so eingeschränkt wäre. Sandblech, Kanister, Tisch und Einbaumöbel, all diese Dinge beschränken die Sicht nach hinten wirklich unnötiger Weise. Der Schaden: zum Glück ist nur die hintere Tür, durch den hinten aufgehängten Pneu, ein bisschen eingedrückt. Sie sollte mit einfachen Mittel wieder in den Normalzustand überführt werden können.
Ein Fahrzeug kommt uns entgegen. Ein kurzer Halt, ein kurzer Schwatz: Ja, wir sind auf dem richtigen Weg: alles gerade aus, dann dem Khwai River entlang, ja nicht den Fluss überqueren, dann sollten wir nach Savuti kommen. Wir fahren. Am Khwai River kommt uns ein Lastwagen entgegen. Ein kurzer Halt, ein kurzer Schwatz: Ja nicht den Kwai River überqueren, meint der Chauffeur. Und so fahren wir auf dem linken Ufer des Khwai River in nördliche Richtung.
Die Flusslandschaft geht langsam wieder in Wüste über (schliesslich sind wir ja nördlich der Kalahari Wüste). Im Reiseführer steht ohne Sandbleche sei die Strecke entlang der ‚Magwikhwe Sand Ridge' kaum machbar. Wenn die wüssten, für was wir die Sandbleche brauchen. Und so schaukeln wir auf den Sandwellen Richtung Norden. Dank den Regenfällen in den letzten Tagen, ist der Sand zum Glück nicht so tief. Auf und ab, links und rechts, wie in einer Sänfte, meint Liseli, wiegt es uns mit Sir James in den beiden gemachten Spuren. „Streifen wir nicht den Boden? Ist der Sand so tief“ fragt Liseli. „Nein, nein, oder doch, doch, aber der Sand ist nicht tiefer als vorher nur unsere Bodenfreiheit ist kleiner geworden“ gebe ich ihr zur Antwort und such verzweifelt eine Stelle, wo ich die beiden Spuren verlassen kann und in ebener Lage ende.
Habt ihr in der Wüste schon einmal einen Pneu gewechselt? Ich oder wir bis jetzt auch noch nie. Wir versuchen wiedereinmal unseren High-Jack. Bei jedem Hub geht der Wagen einen halben Zentimeter in die Höhe und der High-Jack 2 Zentimeter in den Boden. Unmöglich mit diesem Ding weiter zu kommen. Was haben wir für Materialien? Erstens: Holz, welches in der Umgebung liegt. Zweitens: Einen kleinen Wagenheber, der genauso im Boden versinkt, wie der High Jack und zudem a) viel zu klein ist, um Sir James im Sand zu heben und b) viel zu gross ist, um ihn in der momentanen Lage unter die Feder von Sir James zu bringen. Drittens: Sandbleche, die mit 100 %-tiger Wahrscheinlichkeit dem Druck eines Wagenhebers nachgeben und durchgebogen werden.

Erster Versuch: Das defekte linke Hinterrad (die Felge) anheben, indem Sir James auf die gesammelten Holzstämme gefahren wird. Resultat: das Holz ist viel zu morsch: es versandet unter der Last von 3.5 Tonnen Sir James.
Zweiter Versuch: Zwei Sandbleche quer vor das defekte Hinterrad legen, so dass der Wagenheber darauf abgestellt werden kann. Dann eine Schicht Holz und dann wiederum zwei Sandbleche, so platziert, dass sie die Achse anheben und somit Freiraum schaffen für den Wagenheber. Resultat: Ungenügende Höhe, um das Rad zu wechseln.
Dritter Versuch: Die ersten beiden Sandbleche in Längsrichtung unter die Feder von Sir James legen. Parallel dazu - vor das defekte Rad - die beiden anderen Sandbleche in Sandwichbauweise mit einer Schicht Holz legen, so dass eine Art Rampe entsteht. Mit Sir James auf diese Rampe fahren. Mit dem Wagenheber auf der Basis der ersten beiden Sandbleche, die Achse anheben. Das Holz zwischen den zweiten beiden Sandblechen und die Sandbleche selbst unter dem defekten Rad hervor ziehen. Mit der Schaufel Platz unter dem defekten Rad schaffen (Sand wegschaufeln). Das defekte Rad abnehmen und das Reserverad montieren. Wagenheber herunterlassen und entfernen. Mit Sir James vorwärts fahren, so dass die ersten beiden Sandbleche frei werden. Alles wieder fein säuberlich aufräumen und verstauen. Die Sandbleche weisen keine einzige Beule auf, obwohl der Wagenheber nur eine kleine Standfläche aufweist.
So, und jetzt sind wir wiederum 1 ½ Stunden älter. Mit Coca Cola frisch gestärkt fahren wir weiter. Jeder denkt, ohne es zu sagen: „Was wird wohl die nächste Überraschung sein?“. Aber es kommt nur noch die grosse Wanne. Der gläserne Kaffeekrug steht normalerweise im Schüttstein hinten auf der Fahrerseite. Nach der grossen Wanne steht er dann auf der Beifahrerseite hinten auf unserer Toilette. Salto Mortale über den Mittelgang hinweg. So eine Frechheit. Dabei hab ich gemeint jetzt komme wirklich das Ende unserer tollen Fahrt. Aber alle haben es überlebt.
Ich habe ganz vergessen: dazwischen haben wir noch fast einen Elefanten angefahren an der Position Süd 19° 3' 29“ und Ost 23° 59' 49.1“. „Pass auf, Elefanten“ hat Liseli plötzlich gesagt und da standen sie: dick und fett in der Strasse, direkt vor Sir James. Ich habe - auf die Strasse konzentriert - nur einen dunklen Fleck über mir realisiert. Zum Glück sind sie nicht in Angriffsposition übergegangen, sondern weggehüpft (so wie eben Elefanten weghüpfen).
Dann kommt uns wiederum ein Fahrer entgegen. Ein kurzer Halt, ein kurzer Schwatz: „nur noch 37 Kilometer, oder ca. eine Stunde“ meint er. Wir fahren und fahren. Halt da eine Tafel: noch 47 Kilometer bis zum Camp. Wir fahren und fahren. Es wird dunkler und dunkler. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann fahren sie... Halt was ist da vorne: ein Licht. Der Campingplatz ist erreicht. Es ist 18:00 Uhr und stockdunkel. Wir atmen auf und trinken eben zuerst einmal einen Whisky an der Position Süd 18° 33' 50.4“ und Ost 24° 3' 51.2“ im Savuti Camp.

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